Es gibt wenig, was mehr Bock auf den Tag macht, als Starkregen an Rasthöfen. Im prasselnden Grau wache ich auf und geselle mich zu Armand, Fred, Börnski und Pensen, die bei Kaffee und Kippen im Buswohnbereich sitzen und auf erste Körperfunktionswünsche warten. Die Stimmung ist zwischen müde, frisch und völlig ausgehebelt, eine Mischung, der man auf Tour sehr oft begegnet, im Alltag aber eigentlich nie oder höchstens bei Frühstücksrunden nach Junggesellenabschieden. Allerdings muss ich gestehen, dass das nur eine Vermutung ist, da ich noch nie einer Frühstücksrunde nach einem Junggesellenabschied beigewohnt habe, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass ich noch nie einem Junggesellenabschied beigewohnt habe. Ich finde übrigens, niemand sollte je einem Junggesellenabschied beiwohnen, denn alleine das Wort impliziert schon, dass es sich um etwas extrem Unangenehmes handeln muss. Aber wer bin ich schon, irgendwas zu finden? Fühlt euch zu nichts verpflichtet.
Über diese Gedanken haben wir inzwischen den Rasthof verlassen und sind zur Sputnikhalle gefahren, wo wir vom Team um Christina wie alte Freunde empfangen werden, was immer schön ist, denn das vermittelt einem ein Gefühl von Heimkehr, und sowas kann man auf Tour gut gebrauchen. Zwei imposante Hunde sitzen ebenfalls im Backstagebereich, und ihr Blick sagt ziemlich deutlich, dass sie noch lieber als Monsters einfach ihre Ruhe hätten, aber sie sind sehr freundliche, chillige Hunde, die kein Problem damit haben, ihr Revier zu teilen, und spätestens als Börnski und Hundefan Fred den Raum betreten, haben sie zwei neue Superkumpel gefunden. Es gibt duftes Frühstück mit allen Drum und dran, aber Börnski und ich wollen es uns redlich verdienen, also schlüpfen wir rasch in unsere Sportklamotten und laufen eine Runde durch Münster. Wir laufen einen Kanal entlang und landen beim Funkturm, merken aber auf dem Rückweg, dass wir uns etwas überschätzt haben,und pflaumen uns unterwegs ein bißchen blöd an. Doch als wir den Bus erreichen sind wir schon wieder best Friends, und hätte ich es hier nicht geschrieben, hätte niemand davon Wind bekommen.
Frühstück, Dusche, Mittagsschlaf, Bus ausladen, Soundcheck, Tourbericht, und schwupps sind die ersten Gäste da, alte FreundInnen des Hauses Monster quasi, und das ist auch so ine erfreuliche Sache, denn wenn Menschen eine Band über einen langen Zeitraum begleitet, ist das ein Indiz dafür, dass man nicht alles verkehrt gemacht hat. Die famose Bulli-Ulli ist auch vor Ort und hat uneigennützig wie stets ein ganzes Arsenal an selbstgemachten Schnäpsen mitgebracht, Marzipan, Pfeffi, Mexikaner und Erdbeerlikör, und auch wenn ich mir vornehme, heute nichts zu trinken, ahne ich schon, dass das ein frommer Wunsch bleiben wird.
Vorher aber schnell noch Konzert:
Der Laden ist voll mit erlesenen Menschen, die ganz schön in Partylaune sind. Das bedeutet, es wird heute nicht ganz so konzentriert liedermacherlich, wie beispielsweise gestern, dafür aber krachig, rockig wochenendlich. Dazu kommt, dass heute nicht alle sitzen, wodurch immer alles etwas wilder wird. Aber es ist schön. Wir sind gut drauf, habe ich das Gefühl, und Münster ist das auch. Es wird eine augenleuchtende Show mit ausgelassenem Getanze und Chören, die ordentlich pegeln. Das Publikum pogt und lacht und klatscht und trinkt, und wir machen da gerne mit. Besonders eine Gruppe um Geburtstagskind Sarah sind in ihrer Begeisterung sehr süß, und darum gibt’s heute auch ein Geburtstagsständchen von Burger. Wir haben unsere Setlist ein wenig gebügelt, und das hat dem Gesamtflow doch sehr genützt. Es ist heute natürlich nicht ganz leicht, mit den Balladen durchzudringen, aber ich persönlich finde das auch mal eine ganz gute Erfahrung, da ich in diesem Segment ja noch ein ziemlicher Neuling bin. Ansonsten: Party, Party, Party. Die Dame, die unser Licht heute macht, ist auch richtig ausgecheckt, und hat sogar dafür gesorgt, dass unsere inzwischen völlig lichtlose Stehlampe wunderschön angestrahlt wird. Es wird gefisselt und gelacht, Fred und ich tauschen zum Ende spontan die Plätze, und ich imitiere beim Seefahrerliedchor heimlich Liam Gallagher oder Lemmy, aber ich weiß nicht, ob das jemand erkannt hat, denn ich bin kein guter Imitator.
Auch heute werden wir mit stehenden Ovationen belohnt, und nach dem Konzert treffen wir am Merchstand viele dolle Leute, die uns wohltuende Dinge sagen. Herrlich für uns zarte Egoseelchen.
So brav wir gestern waren, so fieberhaft feierwütig, sind wir heute drauf, wir füllen unseren Backstage mit lieben FreundInnen unseres Trosses, außer den hier bereits erwähnten noch Sandrine, Sarah, Tim und Michael, Silke, Tina, Miriam, Julia ist auch da und verwirrt mich etwas mit der Aussage, dass sie eine Mittelohrentzündung hat und kaum was hört, aber ein Konzert heilsame Kräfte hat, und ich weiß nicht, ob das fachlich untermauert ist, oder ich nur wieder alles falsch verstanden habe, aber da sie gut gelaunt strahlt, ist das ja auch eher nebensächlich, es gibt Ullis Superschnäpse und Gabbatechno von der Fete im Nachbarraum, und ich verpasse schlau, wie ich bin, das Busladen, danach wird es langsam Zeit für eine Abschiedsrunde, und wir Monsters finden uns im Bus wieder, wo wir weiter den geistigen Getränken frönen und DJ Fred mich mit Punkrockperlen wie „I wanna be sedated“ und „Wort zum Sonntag“ glücklich macht. Mit einer Rührungsträne im Augenwinkel liege ich später, als der Bus sich in Bewegung setzt, in meiner Koje und summe noch den Refrain von „Born to lose“ nach, mit dem seltenen, aber schönen Gefühl, dass wir damit vielleicht doch gar nicht gemeint sind. So viel Love von so vielen Menschen, das ist schon eine ordentliche Tasse Glück. Auf ganz bald wieder, verehrtes Münster, das müssen wir unbedingt wieder tun.