23. April 2024
von: Totte

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„Die wilden Zeiten sind vorbei!“ trällere ich gutgelaunt und wider besseren Wissens, als ich aus dem Bus klettere, um mit Labörnski den Tag in Saarbrücken traditionell mit einer Joggingrunde zu starten. In Wahrheit bin ich einfach erleichtert, wenn ich katerfrei aufwache und kein Film vorabendlicher totterischer Slapstickverfehlungen an meinem inneren Auge vorbeizieht. Die Sonne scheint und wir laufen zur Saar, wo wir mit tollem Panorama belohnt werden. Heute sind viele LäuferInnen unterwegs, zum Glück alle in die entgegengesetzte Richtung, darum werden wir nicht ständig überholt und unser Ego so zerschossen. Tatsächlich stellt sich überraschend heraus, dass das gar keine JoggerInnen waren, sondern panische Passanten auf der Flucht vor Godzilla, der ausgerechnet heute Saarbrücken verfrühstücken will. Und damit endet dieser Bericht und die Tour.

Zurück aus meiner Comicweltphantasie erreichen wir nach einer guten Stunde wieder unseren Bus und ergeben uns ins touralltägliche Routinezerfasere. Das „Garagen“-Team um Kai und Anna- Lena hat ein Superfrühstück gezaubert, und die Backstageräumlichkeiten sind derart luxuriös, dass sich im Grunde für jeden von uns eine private Rückzugsgelegenheit findet. Da aber auch das Wetter toll ist, zieht es einige Monsters in die Stadt, Frische Mische ziehen sich zurück und ersinnen höchstwahrscheinlich neue musikalische Kleinode, ich bin mal hier, mal da, aber nirgends so lang. Burger hat sich den neuen Rocko Schamoni-Roman gekauft, den ich mir gleich ausborgen will, aber er hält’s mit Büchern anscheinend wie mit Ostereiern: Man muss sie selber schälen, damits schmeckt. Also laufe ich auch nochmal in die Stadt, entscheide mich aber im Buchladen dann für Heinz Strunks „Ein Sommer in Niendorf“, hinter dem ich mich anschließend für einen Großteil des Resttages verkrieche.

Bei Saarbrücken denke ich immer zuerst an Gerd Dudenhöfer und seine großartige Serie „Familie Heinz Becker“, die zu Schulzeiten in meiner Clique ein echter Gassenhauer war, wenn auch nicht so sehr wie MASH. Für MASH, das täglich um 23 Uhr auf Kabel eins ausgestrahlt wurde, wurden sogar Partys unterbrochen, andererseits erinnert nichts an MASH an Saarbrücken, darum zurück zu Heinz Becker, bzw. Gerd Dudenhöfer. Angeblich tritt er ja nicht mehr im Saarland auf, wegen irgendwelcher medialen Gemeinheiten, aber erstens weiß ich gar nicht, ob das stimmt oder noch gültig ist und zweitens habe ich das sicher schon mal in einem Tourbericht aus Saarbrücken erzählt, weil ich, wie gesagt, bei Saarbrücken immer zuerst an Gerd Dudenhöfer denke, und nichts nervt so wie Wiederholungen, ausgenommen bei MASH, wofür wir damals sogar Partys unterbrochen haben. Gefangen in der Endlosschleife der Informationsredundanz.

Wir haben heute eine kurze Bandbesprechnung, die diverse Unsicherheiten ausräumen soll, und vielleicht hat das geklappt. Die Toten Hosen haben sowas angeblich wöchentlich, sie nennen es „blaue Stunde“, aber was hat es ihnen gebracht? Eben. Schnell zurück zu Heinz Strunk. Herr Strunk ist ein toller Autor, allerdings bin ich ihm böse, denn im goldenen Handschuh, hat er einen Dialog von Charles Bukowski einfach Wort für Wort übernommen, und das finde ich ehrenlos. Ich sage das hier, denn sonst fehlt mir jedes Forum. Der „Sommer in Niendorf“ ist aber ein gutes Buch, das geb ich auch gerne zu.

Zum Abendessen gibt es Veggieschnitzel und Rosmarinkartoffeln, Salate, Genmüse und veganen Schokokuchen, ein Gedicht, für die Fleischesser ist besonders zu Armands Freude auch gesorgt, ich hab aber keine Ahnung oder Interesse daran, zu informieren, welches liebe Tier dafür diesmal sein Leben lassen musste.

Wir beginnen das Konzert ziemlich pünktlich, und Timing ist heute anscheinend insgesamt der King des Abends, denn es wird ein sehr punktgenaues, stringentes, durchgehend groovendes Höllending von einer Monstersshow. Wir sind sehr on point und spielen unsere Songs knackig und mit Kraft. Wahrscheinlich noch unter dem Eindruck des gestrigen Konzerts geben wir uns viel Mühe, dass keine Lücken entstehen, eventuell leidet minimal auch etwas unsere Spontaneität darunter, denn Ansagen gibt es weniger als sonst. Aber auch da ist heute die Pointierungsgöttin mit uns, denn es gibt immer wieder Möglichkeiten, spontan mit dem Publikum zu interagieren, das übrigens exorbitant lieb und gewillt ist, mit uns zu feiern. Die Garage ist, anders als ihr Name vermuten lässt, ein großer Laden, dessen Konzertraum vom Aufbau an ein Zirkuszelt erinnert, aber edler und mit Discokugel. Die Lichtherren Andy und Phillipp zaubern uns wieder eine Lightshow vom feinsten, und wir Monsters freuen uns am Moment und uns und an allem, was uns heute so leicht von der Hand geht. Es ist kein chaotisches Punk-Konzert, was auch ziemlich reizvoll sein kann, sondern ein strukturiertes Miteinander, mit kleinen Ausflüchten in Freestyles und süße Verrücktheiten, die den Abend sanft pfeffern. Ein großer Spaß. Ums mit Heinz Becker zu sagen: „Mir han g’schafft, ansatt bloß dicke Backe zu mache.“ Wunderbar.

Das Publikum dankt uns euphorisch mit standing Ovations, und wie schön ist das, dass ich das auf dieser Tour so oft zum Konzertende schreiben kann, denn das ist ein großes Lob für uns und eine sehr wohltuende Bestätigung für unser Schaffen.

Nach dem Konzert muss es allerdings wieder recht zackig gehen, denn eine lange Fahrt liegt vor uns. Kurz gibt es noch ein wenig Konfusion, als wir plötzlich eingeschlossen sind, weil es eine mißverständliche Verwirrung zwischen der Garagengarderobengang und ein paar MonstersfreundInnen gab, aber bevor Polizei, Sopranos und Godzilla eingreifen müssen, klärt sich alles auf, Friede kehrt ein und wir sind alle wieder frei. Zudem hat die Situation den Vorteil, dass ich in diesem Zuge auch endlich kapiere, dass Jonas, unser sehr sympathischer Betreuer des Abends, eigentlich Lukas heißt, aber zu höflich war, mich auf diesen Fehler hinzuweisen. Höflichkeit, ein ständiges Mysterium. Aber wünschenswert, egal wie man heißt.

Im Bus liege ich später in meiner Koje, lese das Buch aus und höre, wie Teddypard mit Urs, Rüdi, Labörnski und Fred noch Tanzparty im Sitzen macht, und zu den Klängen von Ween, Weather Report und Popcorn schlafe ich ein und träume davon, unseren Katzen den Bauch zu kraulen, was natürlich ein sehr guter Traum ist. Ähnlich wie das Saarbrückengemonstere heute in unserer Reality. Vielen Dank darum, fühlt euch ebenfalls gekrault.

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