Tag zwei der hundertjährigen Zweitagestour: Es rappelt und ruckelt und Flaschen purzeln durch den Bus, und derart wachgeküßt schau ich aus dem Kojenfenster auf die schöne sauerländische Landschaft. Alles strahlt in sattem Grüne unter goldiger Sonne. Ach ja: Himmel blau, Schluss mit dem pseudopoetischen Rumgeeiere. Ich wälze mich in die Realität, begrüße Armand und Börnski und spaziere erstmal zum Backstagebereich. Auch hier wieder: Nur geile Typen, Frauen wie Männer: Auch hier leider wie gestern: Ich habe alle Namen verschusselt, irgendwo tief in mir müssten sie noch liegen, verbunden mit Freude und Dank meinerseits, aber derzeit getrau ich mich nicht in die Tiefen meines Gedächtnisses, denn da liegt nicht nur Freude und Dank, sondern auch Ungemach aus anderen Sphären. Ich werde aber in naher Zukunft dort wühlen, und sollte ich nicht fündig werden, hoffe ich, bei einem Wiedersehen womöglich alles wieder gut machen zu können. Auf jeden Fall haben alle schon die Bühne perfekt bereitet und vor allem, für hungrige Selektivwahrnehmer morgens am wichtigsten – ein leckeres Frühstücksbüffet gezaubert. Wegen meiner gestrigen Curryüberwürzung trau ich mich magentechnisch leider noch nicht so richtig, und halte mich artig zurück. Fred ist auch schon wach und Rüdi kommt kurz darauf ebenfalls hereinmarschiert, wie schön, ab heute sind wir vollzählig.
Ich dachte, wir eröffnen heute das Festival, aber ich habe mich geirrt, vor uns spielt ein Punktrio ein energiegeladenes Set, ich gucke mir das ein ißchen an, und – ihr ahnt es – ich hab den Namen vergessen. Was ist denn los mit mir? Ich bedecke mein Haupt mit Asche und verweise auf die Festivalseite vom Brilonm Laut, da stehen alle Bands, und eine von denen war es, aber nicht Monsters, Kapelle Petra, Itchy, Rustikarl, Liedfett, Hi Spencer, Rogers oder Elfmorgen. Ist das zu fassen? Die Namen konnte ich jetzt runterbeten, ohne irgendwo nachzusehen. Ich hab jetzt doch mal nachgeguckt, das war mir zu peinlich: One Tape heißen sie. Schade, die ganzen Teammember stehen da nicht namentlich, dabei sind die das Herz jedes Festivals. Darum zumindest an Christian stellvertretend liebe Grüße und Dank.
Während One Tape spielen, trudeln auch die großartigen Kapelle Petra samt Crew ein, was immer ein Freudenfest ist, zumal wir heute wegen unseres engmaschigen Terminplans, sofort nach unserem Auftritt wieder weiterfahren müssen, und uns darum im Anschluss gar nicht länger unterhalten können. Dass auch Andy und Babsi vom Team Elfmorgen noch da sind, obwohl die ja schon gestern gespielt haben, freut mich nochmal eins extra. Andy nimmt mich gleich zuur Seite, um etwas zu besprechen, was ich schon lange vergessen hatte, ihn aber fast heiligt und mich gleichzeitig etwas beschämt. Er ist einfach ein sehr guter Typ, was ich von mir nicht behaupten kann.
Ausgerechnet heute gibt’s auf der Bühne etwas Delay, was unsere Soundcheckzeit beschneidet, denn wie gesagt, wir sind unter Termindruck und können nichts nach hinten verlagern. Dementsprechend hektisch geht es beim Soundcheck zu, trotzdem können wir jetzt schon ein bißchen Spaß mit dem Publikum haben, das übrigens sehr zahlreich erschienen und voll im Partymodus ist.
Das Konzert: Wir werden aus dem Backstage mit frischgezapftem Bier versorgt, aber auch vom Veranstalter mit irgendwelchen alkoholischen Superslushies, die vielleicht Schuld an meinen Gedächtnislecks haben, denn auch an ihre Namen kann ich mich nicht erinnern, aus dem Publikum bekommen wir Cola Korn, aber auch fernab des Alkohols ist das ein total schönes Konzert, ausgelassen und voller Späße, Chöre und Geschunkel, sogar Bananenente und die Schwimmnudel Ferdinand, uns bekannt seit den Haunerock, dancen wieder elegant mit, doch bevor wir in die Zielgerade einbiegen und uns unsererseits beim Publikum zu „Trinkt mit mir“ mit Getränken bedanken können, sagen Gott oder Sankt Brilon „Stopp mit den Blasphemisten!“ und öffnet derart die Schleusen, dass wir sofort abbrechen und alle Menschen in Sicherheit gebracht werden müssen. Gewitter und Sturm verwandeln das Sauerland in einen graubehimmelten Morast, und ein Ende scheint nicht in Sicht. Jedenfalls für knapp 30 Minuten, um kurz nach eins, püntklich zu unserer Konzertendzeit ist der Himmel plötzlich wieder blau, und wir beschließen darum trotzig, zumindest noch Cola Korn als Abschiedsdankeschön zu spielen, was von erstaunlich vielen Menschen, die durchgehalten haben, sehr freudig aufgenommen wird, dann aber müssen wir auch schon in den wartenden Bus und ab, denn die Zeit hält uns die Pistole auf die Brust. Ich komme also gar nicht dazu, mich adäquat von Ulli und Andi, Andy und Babsi, Kapelle Petra und Family, dem Brilonteam und den inzwischen eingetroffenen Liedfetts ztu verabschieden, denn Armand hupt, und ich drängle den fleißig Shirts verkaufenden Börnski, einzupacken und in den Bus zu kommen, weil „alle warten“. Im Bus angekommen, wartet aber keiner, denn der Großteil der Restmonsters sitzt noch gemütlich zum Mittagessen im Backstagebereich und trudelt erst nach und nach ein, was mir die Laune derart verhagelt, dass ich für den Rest des Wochenendes nicht mehr rauskomme, ob das jetzt überzogen ist oder nicht.
Auf der Fahrt nach Cuxhaven besprechen wir noch ein bißchen Bandzeugs, dann verabschiedet sich einer nach dem anderen in die Koje, auch ich, wo ich, um die Gedanken wegzuwischen, ein wenig im hervorragenden Roman „Hard Land“ schmökere und mich zurück in die 80er träume und wünsche. Ich wache pünktlich zur Ankunft beim Deichbrand auf, und das ist auch edine zeitlicvhe Punktlandung, denn wir müssen sofort los zum Merchstand, die Gitarren geschultert und im Entengang hinter Soelve her, der uns hier in Empfang genommen hat und darüberhinaus ein Strahlemann von herzerwärmender Superqualität ist. Am Merchstand trefenn wir mit Fabi den nächsten Kollegen aus dem Monsterstross, heute wieder als Chief of the Merchbühne, so wie letztes Jahr bereits, auch er ein smarter Supertyp, also das muss man sagen, in der Monsterscrew gibt’s nur Supertypen. Tatsächlich stehen schon ein paar Menschen vor der kleinen Bühne, und sie haben anscheinend Bock auf uns. Herrlich. Trotzdem fliegt gerade alles etwas wie im Rausch an mir vorbei, denn meine Gitarre scheint zu spinnen, jedenfalls kriegt sie Techniker Uwe nicht in den Griff, sie fiept und hupt, aber sie soll ja spielen, etwas verzweifelt verteile ich mein Bier an die Wartenden, freestyle etwas hirnlos zur fiepsenden Gitarre, Fred interagiert ebenfalls mit der inzwischen mehr als ansehnlichen Traube von Menschen, es ist 19:30 Uhr, und es fiepst immer noch, manchmal ist Technik einfach ein kleiner zickiger Kobold, doch keine Zeit zur Aufregung, ich behaupt in meiner Not einfach, dass das Konzert jetzt beginnt, überhöre den Kollegenwunsch, erst noch eine zweite Gitarre zu soundchecken, und dann strahlt für 20 Minuten eine chaotisch-charmante Monstersshow im großen Miteinander mit hüpfenden, singenden und klatschenden Menschen. Wir veräppeln ein bißchen den zeitgleich spielenden Clueso, was insofern nichts macht, da wir nur freundlichen harmlosen Quatsch machen, weil er gerade auf den großen Bühnenmonitoren zu sehen ist, und er uns eh nicht hören kann und sowieso ca. Hundrmillionen mehr Fans hat, aber nicht so gute wie wir, sorry, doch das ist die Wahrheit, und wir spielen „Alsterstaat“, „Laterne“, „Interesse ist gut“ und „Zwerge“ und vielleicht noch „Marzipan“, ich weiß nicht mehr, jedenfalls im Stehen um drei Mikros gequetscht und schunkelnd, und die zwanzig Minuten purzeln wie Dominopizzen, wohlschmeckend und kalorienreich.
Wir haben allerdings kaum Zeit, Menschen zu knutschen oder Fabi angemessen zu verabschieden, denn schon bald müssen wir im Zelt für den Soundcheck bereitstehen, und uns knurren die Mägen. Also ab zum Cateringzelt, wo wir auf Veggieburger und Claudio treffen, der geile Hund ist heute mit Alligatoah hier, nimmt sich aber für seine Rasselbande gerne noch die Extrazeit, uns zu mischen. Viel Zeit für Talk haben wir nicht, der Shuttlebus, der uns samt Equipment zum Zelt fährt, steht bereits abfahrbereit da, weil die Kollegen meine Gitarre nicht mit eingepackt haben, hole ich sie selbst und gehe dann per pedes dorthin, und dann geht alles wieder sehr schnell. Das Zelt ist sehr mäßig gefüllt, als wir den Soundcheck beginnen, denn zeitgleich mit uns spielt Peter Fox, und das ist wohl die härteste Konkurrenz, die wir je hatten, selbst wir wären wahrscheinlich lieber bei Peter Fox, wobei ich noch lieber bei unseren Katzen wäre, aber hilft ja nichts, also gute Miene machen, und der Soundcheck wird tatsächlich schon sehr spaßig, weil wir mit dem Publikum zusammen den Soundcheck-Circlepit erfinden, und, weil noch ein Minütchen Zeit ist, die Hymne dazu gleich mit. Wir hoffen, sie setzt sich durch. Inzwischen füllt sich das Zelt, und als wir das Konzert offiziell beginnen, ist es tatsächlich schon mehr als ansehnlich gefüllt, und es kommen immer mehr Menschen dazu. Unser Auftritt wird aber auch – ganz unbescheiden gesagt – sehr kurzweilig, wir verteilen Getränke, shaken die Rümpfe und haben Konfetti in den Herzen. Das Deichbrand rockt mit wie eine gewaltige Welle aus Zuneigung, wir holen spontan einen Menschen namens Christian auf die Bühne, damit er seine FCKAFD-Fahne auch bei uns schwenken kann, und es ist schön, wie sehr alle mit uns sind. Euphorisch tanzen, singen und pogen sie und fordern lautstark Zugaben, die wir nur zu gerne geben, während die Liebe durch die Lüfte wabert. Ganz großes Ding.
Dankbar treten wir aber, aber auch ein bißchen erledigt, denn wir haben mit vier Konzerten innerhalb von 24 Stunden einen Monstersrekord aufgestellt. Wow.
Nach dem Konzert sind wir alle erledigt, inzwischen traditionsgemäß laufe ich mit Klampfe allein zurück zum Bandbus, während Peter Fox völlig zurecht fordert, dass alles neu werden muss, der Rest des Abends verläuft dafür dann aber doch sehr unspektakulär. Ich quatsche noch ein bißchen mit Soelve, treffe auf einen Drink noch unseren Superbooker Nico und Tristan von Raum 27, die ich beide sehr verehre, dann mach ich mich im Bus breit, wo die Kollegen schon langsam in die Kojen verschwinden. Die große Party fällt flach, wenig überraschend. Die letzte Aktion meinerseits ist es für heute, einen klein wenig kindischen, aber doch auch wahrhaftigen Fan- Beitrag über die Beastie Boys auf Facebook zu posten, denn die höre ich noch alleine in der Lounge via Handy zu ca. fünf allerletzten Bieren auf dem Handy, bevor auch ich endlich die Segel streiche, und mich -diesmal dank der Beasties – erneut in die Achtziger träume. Und checke ich meinen Head, weiß ich, I still got the License to ill. Das ist doch auch schon mal was. Peace out.