Na sowas, zum Festival im Zug? Das ist ja ganz was Neues, dieses Jahr. Es ist wirklich abgefahren, 2024 haben wir es in 90 Prozent unserer Festivals nicht hinbekommen, gemeinsam anzureisen. Jeder kam von irgendwoher, darum gab es auch keinen Bandsprinter, sondern jeder hat jeweils eigenmächtig seine Anreisen gebucht, das eine Monster kostengünstig per 49 Euro Ticket, das andere via eigener Fluglinie auf Monsterskosten,
Nun könnte man denken: Na gut, aber heute ist das ja geographisch so günstig, dass zumindest vier der sechs wackeren Herren zusammen hindüsen können. No way: Wir sind inzwischen derart gesellschaftsentwöhnt, dass wir uns gar nicht abgesprochen haben. Ich sitze darum ganz alleine im RE nach Schleswig und schreibe unseren Bericht über das Open Flair, während Börnski per Eurocity etwas verspätet reist, wenn auch versehentlich, denn eigentlich, so sagt er später, wollte er auch in meinen Zug steigen. Fred fährt im Auto, ein Auto von jener Miniaturgröße, dass er nur wen mitnehmen kann, wenn er selbst dafür daheim bleibt, und Pensen wiederum hat es heute richtig fies erwischt. Sein Zug macht irgendwie gar nichts mehr, jedenfalls so lange, bis er schlussendlich wieder zum vorherigen Bahnhof zurückrollt. Streckensperrung deluxe, nichts geht mehr, was für heute auch bedeutet, dass wir zu fünft spielen werden. Burger ist aber schon vor Ort, er hat, wenn ich es recht verstanden habe, einen Kurzurlaub vorgepackt, und Rüdi ist auch schon am Bahnhof, allerdings weiß ich gerade nicht genau, ob per Droschke oder Beaming. Jedenfalls treffen zunächst Fred, Rüdi, Börnski und ich auf dem Bahnhof Schleswig aufeinander, Börnski hatte mich whatsappmäßig beauftragt, ihm Bier zu kaufen, was ich natürlich folgsam und in solcherlei Mengen getan habe, dass auch für mich noch zwei Dosen rausspringen. Hier warten wir auf unseren Shuttlebus, aber nicht lange, genau gesagt gar nicht, denn da stehen längst das Superpaar Brigitte und Hein bereit, nehmen uns herzlichst in Empfang und verteilen uns auf ihre Autos. Sie hatten mit sechs Herren plus Instrumenten gerechnet, nicht mit vier mickrigen Buben und zwei Klampfen.
Börnski und ich fahren mit Brigitte, die Fahrt führt uns durch herrliche Landschaften, kleine Ortschaften und sonnige Auen. Die Stimmung ist heiter, und die Gespräche sind tief und auch leicht. Schöner Fahrt. Ein Glück, denn immerhin sind wir gut 30 Minuten unterwegs, und so einev Strecke mit unsympathischen GefährtInnen wäre schon ein herber Stresstest. So aber kommen wir entspannt und fröhlich beim Enzofestival an, ein sommerliches Rockmärchen mit zwei benachbarten Bühnen, sehr netter Crew und chilligen Menschen vor der Bühne. Wir hopsen aus den Autos, und akklimatisieren rasch. Das Festival ist nach einem echten Menschen benannt, er heißt „Festival“, hihi, kleiner Doofspaß, weil wir so feenfrech drauf sind. Er heißt natürlich Enzo, ist sehr freundlich und herzlich, und seine Schwester spielt just das erste Konzert des heutigen Tages, alleine mit Gitarre, vielen Hits und Atmosphäre. Wir setzen uns ins Gras vor die Bühne und schweben etwas mit, hernach genießen wir noch die Winston Boys, die auf der Nachbarbühne starten, und eine jazzig, folkige Siebzigerjahrerockshow darbieten, ein bisschen von Caravan, ein bisschen Krautrock, ziemlich gut, jedenfalls. Das Publikum schwoft mit und auch uns juckts in den Zehen, aber wir müssen noch rasch unsere Setlist erstellen und ein bisschen proben, denn immerhin müssen wir Pensen ausgleichen. Rüdi übernimmt die Gitarre von „Stress mich nicht“, ich übe mit Börnski kurzerhand den „Jägermeister am Hauptbahnhof“, denn für Frische Mische-Songs habe ich heute zu wenig Finger.
Inzwischen sind die Winston Boys fertig, und wir werden zwecks Soundcheck zur Bühne gebeten, derweil auf der anderen Stage Matze Rossi eine gefeierte Show spielt.
Wir setzen uns und versuchen, den Wünschen des wirklich souveränen Stageteams nachzukommen, aber wir getrauen uns nicht so recht, richtig in die Mikros zu reden oder die Gitarren voll anzuschlagen, weil wir fürchten, damit in das Konzert von Matze Rossi reinzugrätschen. So bleibt dem Mischer (ein cooler Kerl, nur sein Name ist mir mal wieder entfleucht. Aber du bist ehrlich klasse, so wie auch deine KollegInnen) nur, unsere Quasianweisung „Nachher sind wir lauter“ irgendwie auf Verdacht in seinen Soundcheck zu integrieren, und abzuwarten, bis das Spektakel losgeht. Lange dauerts auch nicht, um 15:30 Uhr hissen wir die Segel zum musikalischen Segeltörn auf dem Enzofestival. Und es wird ein ausnehmend schöner Törn. Die zahlreichen Menschen, die sich vor der Bühne eingefunden haben, scheinen richtig Lust auf eine kleine Monstersreise zu haben, sie heben die Hände und klatschen den Takt. Es mach richtig Laune, die Sonne scheint, die Menschen lachen und singen, und über allem weht das Mantra „Relax“, denn heute steht uns allen nicht der Sinn nach großen (wenn auch eh meist ironischen) Rockgesten, sondern nach einem pfiffigen Miteinander voller mitschwoftauglichen Melodien. Wir erzählen viel zwischen den Songs, verteilen nachmittäglich ansäuselig eine Flasche Sekt im Publikum und genießen den Ausflug wie einen äußerst anregenden Nachmittagsspaziergang zwischen den Dünen des Daseins. In der Luft das Salz der Meere, die Sinne prickelnd wie wohlig erschauernd tastende Schmetterlingsfühler.
Ich weiß nicht, was das Highlight unserer Show gewesen sein könnte, es war vielmehr eine schöne Stunde Gesamtheit, und dafür zeichnete besonders die Atmosphäre des Enzofestivals verantwortlich, das auf uns abgefärbt hat, als andersrum. Vielen Dank dafür, das war sehr toll.
Gerne verkaufen wir hernach noch ein paar CDs und unterhalten uns mit den Menschen, allerdings crasht auch heute wieder die Realität dadurch rein, dass wir unter Zeitdruck leiden, denn wir müssen zurück nach Schleswig, um in unsere einzelnen Heimwege zu zerfallen. Darum verpassen wir sowohl Acht Eimer Hühnerherzen, als auch den Butterwegge und Jaya the Cat, aber immerhin kann ich zumindest noch kurz Hallo sagen, zum Beispiel der ganzen Butterweggebande, die ich sehr schätze, sowohl in dieser Formation, als auch als Angelika Express, und irgendwann schaffen wir es hoffentlich nochmal auf ein gemeinsames Bier in aller Ruhe. Jacho von den Hühnerherzen erkennt mich zunächst nicht wieder, aber das kann ich ihm nicht übelnehmen, denn er spricht die Wahrheit, als er meint, ich sähe inzwischen „wie so`n abgehalfterter Hippie aus“. Das muss ich zugeben, da ich ihm aber versichern kann, dass das reine Äußerlichkeit sei, ich innerlich aber immer noch zuverlässig hasserfüllt sei wie eh und je, ist er beruhigt, und auch unser Abschied ist hoffentlich nicht von Dauer.
Ich zapfe Börnski und mir noch eine Sinalcoflasche Bier, und dann juckeln wir wieder, again hervorragend von Brigitte und Hein chauffiert, zurück nach Schleswig, wo das Enzoranien sich wieder auflöst und die Welt sich wieder in die alten Gepflogenheiten und Missverständnisse verknotet. Aber für diesen Ausflug in die Gefilde Harmoniens bedanken wir uns sehr und hoffen, wieder dorthinreisen zu dürfen. Und dann auch mit Pensen. Eh klar. Love.