Köln ist eine interessante Stadt voller Vorzüge. Die Legende besagt, sie sei sehr feierfreudig, und man bleibt hier nicht lange allein. Ich habe lange hier gewohnt und kann darum erfahrungsgeschult behaupten: Jein.
Genauso wenig, wie die Hamburger fischköppig unterkühlt, und die Berliner schnodderschneuzig rumpelig sind, kann man Köln in seiner Gesamtheit als total zugewandt kennenlernen, was letztlich auch icht so verwunderlich ist, da inzwischen jede Stadt zu bestimmt 65 Prozent aus Zugezogenen besteht, und die bringen ihre ganz eigene Charakteristik in die Klischeestruktur ihrer Wahlorte. Warum ich das schreibe?
Weil mir einfach ein Einstieg fehlte, und ich nicht schon wieder mit einer Joggingerzählung beginnen wollte. Andererseits, wie Jan und ich am Rhein entlanghüpfen, ist in sich schon von derartiger inwendiger Schönheit, es wäre eine Schande, nicht zu berichten, wie wir den Dom umkreisen, Brücken erlaufen und uns durch Menschenströme slalomieren.
Wieder zurück endet die Verbundenheit, weil jeder andere Bedürfnisse hat. Der eine sucht Schlaf, der andere eine Dusche. Viele Kollegen suchen Kaffee und Brötchen, und die hat uns Lex samt Team liebevoll bereitgestellt. Ich mache mir Tee und bin etwas froh, mir gestern Ingwer eingesteckt zu haben, denn der ist eigentlich auf Novembertour das wichtigste Tool überhaupt.
Heute ist der 9.11., Mahndatum der unseligen Progromnacht, und nicht nur deshalb ohrwurmt BAPs treffendes Lied „Kristallnaach“ heute dauerschleifenhaft durch meinen Schädel. Der Umstand, dass wir in Siebenmeilenstiefeln wieder auf eine neue Naziwelt galoppieren, ohne auch nur im Ansatz eine Lehre aus den Fehlern gezogen zu haben, macht alles noch beängstigender. Ich versuche, die Depression aus meinem Kopf zu schlafen, aber was bringt das, wenn man immer wieder aufwacht?
Ablenkung bieten die Tagesstrukturen: Busausladen, Bühnenaufbau, Soundcheck, Songprobe, Toilette, Süßigkeiten.
So kriege ich die Zeit bis zum Konzert rum, und ich schätze, so machen das die Kollegen ebenfalls.
Die Essigfabrik ist groß und unbeheizt, diesmal aber wieder ausreichend bestuhlt, und so spielen wir vor einem beachtlich gefüllten Saal.
Und Köln ist bekanntermaßen äußerst feierfreudig, so dass man hier nicht lang allein bleibt. Eine echte Wand aus Jubel bricht über uns herein. Machen das Wände so? Hier jedenfalls ist das so, und das ist in diesem Fall was sehr Gutes, denn der Raum entlädt von null auf hundert in Sekundenbruchteilen zu einem Energiegemisch erster Kajüte. Und spornt das natürlich auch an, und ziemlich stringent rocken wir uns durch die erste Hälfte des Sets. Wir singen zusätzlich noch Grüße an Ronjas Mamas, aber das klingt für unwissende LeserInnen jetzt wohl etwas kryptisch, darum kann ich allen nur raten, künftig kein Konzert mehr zu verpassen, um immer auf dem Laufenden zu bleiben.
Was ist denn besonders ereignisreich heute? Hm, es ist manchmal schwer, einzelne Momente rauszupicken, ich weiß aber, dass wir vergleichsweise ziemlich knackig spielen, und es anscheinend erfahrungsdeckende Lachanfälle bei einem neuen Song von Fred gibt. Dass Pensen während eines neuen Songs die Bühne verlässt, ist nicht gerade empathisches Feingespür, aber sowas kommt vor. Andere Lieder und Momente leuchten dafür umso mehr, und unsere Aufnahmesorge wird auf jeden Fall ein gutes Stück verkleinert. Die meisten Monsters glänzen, und da sich der Autor nie selbst loben darf, kann ich zumindest verkünden, dass ich ab morgen meinen Bühnenaktionismus eindämmen werde, und auch wird heute das Ende der interaktiven Türenteile besiegelt. Eine interessante Entwicklung. Der Kühlschrank ist indes für Börnskis Versteckversuche zu klein, die Welt aber eine Auster, jedenfalls hat Paul Auster das mal behauptet, und dann wird’s doch wohl hoffentlich stimmen.
Ein glücklich strahlendes Publikum beschenkt uns zum Konzertende mit Standing Ovations, und ich erstaune immer wieder darüber, dass wir anscheinend irgendwas machen, was so viel Freude vermittelt. Irre. Und fühlt sich einfach toll an. Vielen Dank dafür, dass ihr uns soviel Kraft zurückgebt, liebe Monstermenschen.
Nach dem Konzert ist leider alles etwas zu hektisch, um gemütlich zu werden,. Denn erstens ist Technoparty gleich im Anschluss, und zweitens schaffe ich es gar nicht, den vielen Freunden und Verwandten gerecht zu werden. Ich kann mich nicht mal von allen gebührend verabschieden, und das bedauere ich sehr.
Immerhin können wir noch ein bisschen mit meinem Onkel Reiner, Kumpel Ecki und Patte zusammensitzen, bevor es heißt, Abschied von der Essigfabrik zu nehmen, um gen Karlsruhe zu düsen. Im Bus sitzen, nachdem sich die meisten in die Kojen verabschiedet haben, zuletzt noch Rüdi, Urs und ich in der Lunge, lauschen bierdösig ergriffen Blörk und unterhalten uns nostalgisch über Liebeserlebnisse und Schwärmereien in der Adoleszenz.
Was für ein wilder Ritt. Morgen fällt das Jogging aus. Und Köln: Ihr seid traumhaft. Wie ernst ich das meine, erkennt ihr daran, dass ich mir an dieser Stelle jeden Alaaf-Gag spare. Bützje für alle.