10. November 2024
von: Totte

Ein Herbsttag wie von Uderzo gezeichnet. Wir stehen vor dem Jubez inmitten Karlsruhes Zentrum, und langsam macht sich der Hunger bemerkbar. Gestern habe ich auf die Bestellpizza verzichtet, weil ich die Tour diesmal etwas veganer angehen will (zugegeben, hat bisher so mittel geklappt), jetzt knurrt ein Tier in mir, eins ohne Fell und Stil. 

Im Café des Jubez steht schon alles bereit, sympathische MitarbeiterInnen allerorts, allerdings ist Karlsruhe noch nicht ganz ready für Veganismus, wie mir scheint. Immerhin, der Tomatenaufstrich ist durchaus lecker. 

Irgendwie ist mein Tagesrhythmus heute durcheinander, anstatt zu joggen, lege ich mich, gleich nachdem ich den Tourbericht geschrieben habe, wieder hin und versuche zu träumen, aber wirr kreiseln die Gedanken im Hirnstrudel, und so kriegt man ja auch nix gebacken, also wieder raus und doch in die Laufschuhe gequetscht. Pensen und Fabi sind im Stadion, Börnski finde ich gerade nicht, also laufe ich Richtung Schlosspark, von wo aus man bereits die Fußballfans skandieren hört. Ich bekomme einen Torschuss mit, freue mkich aber noch mehr über die „Bären sind los“-Melodie, die anscheinend traditionell hier bei Toren abgespielt wird. Wieso komme ich gerade nicht drauf, wie die Kompsition heißt und wer sie komponiert hat? Mir schießt immer nur „Buttermaker“ durch den Kopf. Egal.

Eine gute Stunde laufe ich Waldwege und Parkanlagen entlang, dann finde ich nicht mehr heim und muss mich durchfragen, aber so, wie es aussieht, wohnt niemand in Karlsruhe und weiß demzufolge auch nicht, wo das Jubez ist. Ich mache sicher das Dutzend PassantInnen voll, bis ich eine Auskunft bekomme: Hier um die Ecke. Stimmt, da strahlt ja auch schon unser roter Riesenbus. 

Ich komme pünktlich zum Busausladen, danach Soundcheck und Internetsachen, außerdem bestellen wir für 18 Uhr bestes Thaifood. Die ungeduldige Vorfreude darauf suche ich ebenfalls mittels Schlaf zu verdrängen, aber auch das klappt nicht. Kreisel, Strudel, I miss zudem die Cats.

Um 18 Uhr erreicht uns die Nachricht, dass der Lieferdienst überraschend geschlossen hat, weshalb die Bestellungen auf einen anderen Lieferdienst transponiert wurden, um 19 Uhr erreicht uns diev Nachricht, dass jener Dienst ebenfalls nicht liefert usw. Kein Wunder, wenn hier keiner den Weg zum Jubez kennt. Der ursprüngliche Bestellzettel mit unseren Nummern sieht inzwischen wie eine Formel aus „Good Will Hunting“ aus, beeindruckend. Es ist inzwischen 19:30 Uhr, und die ersten Monsters entscheiden sich für Kalorienaufnahme durch Bier, während andere Monsters ihren Hunger mit Zigaretten zu zügeln versuchen, wofür sie die verschlungenen Pfade bis zur Frischluft auf sich zu nehmen bereit sind. Um 19:45 Uhr finden wir uns alle zum Konzertstartsekt ein, um 19:55 Uhr rollt das Essen an und wir überlegen, ob das eine psychologisch besonders geschickte Strategie ist, es uns fünf Minuten vor Showbeginn zu präsentieren. Aber wir sind  eh in einer seltsamen Laune, und als wir um 20 Uhr auf die Bühne steigen, steigen wir gleichermaßen in ein Wärmebad bester Emotionen und Energien, denn dieser Abend wird eine wirklich runde Sache. Leicht verpeilt, trotzdem mit Zug, ausschweifend und vor allem ein echtes Teamwork. Das Publikum ist dabei das siebte Monster und derart konzentriert und aufnahmefreudig, dass die Songs nur so flutschen. Es gibt bereits für einen neuen Song ein Pappherzchen aus dem Publikum, das ist Rekord, und angeheizt von der guten Stimmung entscheiden sich die meisten von uns, das Essen sicherheitshalber erst nach der Show, und nicht bereits in der Pause zu genießen. Ein guter Plan, denn auch die zweite Hälfte glänzt mit vielen Kabinettstückchen, aufgrund Publikums-Papa-Wunsch spoelen wir spontan die „Superkackwurst“, ein wirklich unterschätztes Lied von Labörnski, die Haie schwimmen ebenfalls, und so einige Lieder finden heute den Weg in die engste Albumauswahl. Einziger Wermutstropfen: Meine Gitarre gibt im Verlauf des Abends den Geist auf, zum Glück sind die neuen Songs davon  nicht betroffen, trotzdem ist das gerade sehr ärgerlich. Immerhin gelingt Burger und mir eine spontane Gitarrentauschaktion bei „Vier Meter“, das entschädigt. Urs ist heute extrem in Erzähllaune und bespaßt uns zunehmend ausufernd via Monitorboxen, was für einige skurrile Momente sorgt, und mit lachenden Augen und leuchtenden Gesichtern verneigen wir uns absolut dankbar vor dem stehend applaudierenden Publikum, verweisen noch einmal auf Viva con Agua, haben hernach aber leider nicht mehr allzu viel Zeit, um lange am Merchandise zu quatschen, denn um Mitternacht müssen wir schon losfahren, um unsere vorgegebenen Fahrtzeiten einzuhalten. 

Hungrig fallen wir natürlich noch über unser Essen her, aber hier hat Börnski Pech, denn sein Essen wurde nicht mitgeliefert. Karlsruhe ist wirklich schön, aber man sollte sich Stullen mitbringen. 

Ich vergesse noch abschließend meine Monsterstasse im Backstageraum, und bemerke das, als ich mir im Bus einen Gutenachttee kochen will. Na ja, dann eben ohne. Ich lege mich in die Koje und sinniere über kaputte Gitarren und Präsidenten, während in der Buslounge noch erfreulich ausgelassen zu Black- oder Deathmetal, 80er Pop und Country gefeiert wird. Ein guter Soundtrack zur Nacht. Karlsruhe, wir danken dir. Und hoffentlich schaffen wir es jetzt auch wieder mal etwas schneller, dich nochmal zu beehren. Liebe geht raus. Mosh!