Wir kommen am frühen Mittag in Hamburg an der Markthalle an und entladen gleich den Bus, denn Bernd muss rasch weiter. So kurz der Abschied ist, so herzlich ist er aber auch, denn Bernd ist ein wirklich guter Typ und ein Fels in jeder Verkehrsbrandung.
Auf bald, lieber Bernd, und vielen Dank.
Nachdem wir den Bus entladen haben, düse ich nachhause. Ich bin übermüdet und nassgeschwitzt, habe schlimm geträumt und das Aufwachen war auch nicht sonderlich erfreulich.
Zuhause erwartet mich zumindest keine Post, ich dusche lange, lege mich nochmal hin und bin sofort weg.
Gegen drei Uhr stehe ich wieder auf und mache mich mental langsam bereit für die Markthalle. Der Nachteil solcher Abstecher in die Heimstadt ist, dass man quasi augenblicklich aus dem Tourmodus fällt, und sich dann wieder komplett neu eingrooven muss. Ich habe mit dem Tourmodus eh schon genügend Probleme, denn jeder andere Mensch wird dadurch härter, ich aber weiche immer weiter auf und die seelische Schutzschicht wird porös.
Nix Neues, immerhin sind wir ja schon ein paar Jährchen auf Tour, und auch die Markthalle mit dem gesamten Team um Tosh sind ja längst Familie. Dementsprechend herzergreifend fällt auch das Wiedersehen aus, auch Nico kommt rum, was Wärme in die Psyche zaubert, leider hat er eher ungute News für uns. Morgen findet direkt unter unserem Konzertraum eine Technoparty statt, und bereits der Soundchecklärm sorgt hier oben für sorgenvolle Gesichter.
Es hilft alles nichts, für eine Absage ist es zu spät, jetzt gilt es erstmal, heute ein möglichst herrliches Konzert zu absolvieren. Der Backstage füllt sich mit vielen Menschen, Familie und Freunde kommen vorbei, und mit ein klein wenig Verspätung hüpfen wir auf die Bühne.
Wir spielen heute unser recht spät angesetztes Zusatzkonzert, was natürlich auch bedeutet, dass es nicht ganz so voll ist, aber dafür sind die Menschen heute ganz wundervoll drauf. Sie machen mit und verhexen den Raum in einen Elfenturm der Liebe, singen und schunkeln und retten uns sogar noch aufnahmetechnisch in sichere Häfen. Toll.
Ich komme heute nicht an, weder im Abend, noch beim Publikum, ich bin fahrig und zerhacke die Ansagen, verspiele mich dauernd und eine große Niedergeschlagenheit bemächtigt sich meiner. Zum Glück bin ich nur ein Minimalteil des Ganzen, denn meine Kollegen glänzen um so mehr, und füllen auch noch Freds Fehlen problemlos aus. Rüdi strahlt dabei besonders, aber auch Claudio verwöhnt uns mit kleinen soundtechnischen Zaubereien, es ist ein Fest. Unsere Ansagen sind heute allerdings insgesamt ziemlich zerstreut, aber das nimmt uns glücklicherweise niemand übel, denn die Songs grooven dafür ja ordentlich.
Besonders toll ist immer zu beobachten, wie beeindruckend großartig das Publikum miteinander umgeht, und es wäre schön, wäre das lediglich ein Spiegel der Realität, aber die sieht ja ganz anders aus.
Wir werden mit Standing Ovations verabschiedet, und erleichtert und ordentlich angeglückt verlassen wir die Bühne. Was mich betrifft, ist es für heute auch gleich der Abschied in die Nacht, denn ich bin ziemlich schnell auch aus dem Club, stöpsel‘ mich auf dem Heimweg in Maulis fantastisches Album Cinepop ein und verschwinde im Wohlklang. Es tut mir dabei leid, mich von so einigen Supermenschen nicht verabschiedet zu haben, die Liste ist lang, sehr lang, und jeder Name wäre es wert, hier genannt zu werden, aber ich habe Angst, jemanden zu vergessen, und darum hier eine virtuelle Blankoumarmung von mir für euch an dieser Stelle. Es gibt Nächte, die sind zum Alleinsein gebaut.