von: Totte

Psychogerädert wache ich auf und verwerfe alle Aktionspläne, die ich mir im Verlauf der Tour für heute gemacht habe. Jogging, Wäsche waschen, gesund kochen, Buch schreiben, etc. 

Ich habe keinen Bock. Der gestrige Abend hängt mir stimmungsmäßig in den Knochen, und was heute bevorsteht, ist auch alles andere als vorfreudig stimmend. Technoparty unter der Markthalle, quasi direkt unter dem Saal. Der gestrige Soundcheck des DJs wummerte schon erschreckend in unseren Saal, und heute wird mit Sicherheit noch mehr aufgedreht. 

Die nächste Mistmeldung folgt bereits vorm ersten Kaffee: Der Server unserer Homepage hat ein Problem. Und das pünktlich zur Album/Apriltourankündigung, die wir so lange geplant hatten. 

Wofür war ich eigentlich Messdiener? Also, Katholizismus scheidet als Religionsoption wohl eher aus, außer der alte Meister prüft wieder rum, aber dann kann er mich jetzt auch wirklich mal gernhaben. 

Wenigstens kommt Fred heute wieder, das ist immerhin eine große Erleichterung, schließlich wird heute auch gefilmt. Gestern waren Claudios Bruder Flavio und sein Kumpel Mario da, und weil es ihnen so gut gefallen hat, haben sie – als Profifilmer – kurzerhand angeboten, unser Konzert spontan mitzuschneiden. Wie Bukowski sagte: Manchmal schauen doch auch überraschend Engel vorbei. 

Ich trinke den Kaffee, da piepst das Handy: Fred. Er vermeldet, es ginge ihm doch zu mies für einen Auftritt. 

Ach Leute, wisst ihr? Ich bleib‘ gleich auch einfach liegen, das bringt doch jetzt alles nichts mehr. 

Statt dessen hole ich mir eine Tiefkühlpizza, womit auch meine durchgängige Veganzeit vorbei wäre, aber das nehme ich mir fest vor, werde ich alsbald fortsetzen, denn jede andere Ernährungsform taugt welttechnisch weniger, und mir fehlen inzwischen einfach alle Argumente, um Käse und Co noch zu rechtfertigen. 

Mit miesem Gewissen und ähnlicher Laune fahre ich per Bahn zur Markthalle, höre schon draußen das Elektrogewummer und Fabi, der mir just entgegenkommt, kriegt meine ganze schlechte Laune samt düsterster Prognosen ab. Ich entschuldige mich zwar gleich hernach, und er als juveniler Optimist meint, er könne das locker ab, trotzdem, das ist keine Art, und darum nochmals an dieser Stelle: Pardon, lieber Fabi. 

Im Club herrscht ein seltsamer Stimmungsmix aus Wahnsinn, Aufregung und skeptischem Hochgefühlvorgetäusche, aber so richtig können wir uns alle nicht vorstellen, wie wir den Abend wuppen sollen. Es kam alles zu kurzfristig, um es zu ändern oder verschieben zu können, und darum ist ein weiteres Mal unsere „momentbasierte Monstenergie“ gefragt. Wir kritzeln an Setliste und Gäsdtelioste rum, Tosh läuft wie ein aufgedrehter Duracellscrooge mit igorschen Sacher Masoch-Monologen durch die Gänge, Nico hingegen ist weiterhin cool as fuck, steht meinen Planungen eines Triplewerks zum Abend (erster Teil: Roman, zweiter Teil: Monstersplatte, dritter Teil: Film mit Aliens und Monsters auf Technoparty) dennoch skeptisch gegenüber, dafür weiß er mit tollen News zu „Raum 27“ und der Rapperin Vita, die völlig zu recht die unsägliche Shirin David gedisst hat, und so geht die Zeit bis zum Konzert vorbei. Die Filmkameras stehen, Claudio war bis acht Uhr früh gesellig und ist darum, etwas derangiert, aber dennoch eine gewohnt dufte Bank am Tonpult, nun kommt’s auf uns an:

Wir springen aufgeregt auf die Bühne und der Wahnsinn startet. Unsere Sorgen prallen auf die herzlichste Euphorie des Publikums, und der Angstknoten platzt augenblicklich und pures Glück strömt aus. 

Ich weiß nicht, was es ist, die vielen FreundInnen der Monsters, die da sind, der enorme Mitmachpegel, das Tourschlusspathos, vielleicht gar der rhythmische Technoteppich, der unter unser aller Füße wummert, irgendwas zündet den Abend ganz besonders. 

Ich kann dabei gar nicht genau irgendwelche Situationen benennen, es ist wie ein durchgängiger Rausch. 

Natürlich sind die Bielefeldrufe, die aufgrund großspuriger Bandversprechen zu „Bier gefällt“ mutieren, ein Highlight, die Lieder ohne Text-Chöre glänzen ebenfalls extrem heute, der Pogo sieht aus, wie von Exploited bestellt und die Seifenblasen schimmern wie unsere gerührt angetränten Augen. 

Es ist einfach ein ganz wunderbarer Abend, und wir taumeln zwischen Urfreude und Unglauben ob der Magie und Liebe, die mit dem Sauerstoffmolekül tanzt. Nach der Show fallen wir uns ausgelassen/aufgedreht/erschöpft/energiegeladen/usw. In die Arme, und weitere Worte fehlen sowieso. 

Wir können uns nur noch bedanken: Bei allen Clubs und MitarbeiterInnen, die so toll waren. Unserer Crew, die immer die beste Menschen bleiben, die man sich in seiner Nähe wünschen kann: 

Auf Tour waren das Lasse, Fabi, Urs, Claudio, und Bernd, aber auch Soelve, Tobi, Mark und Sonja waren mit uns, per Grüßen, Whatsappnachrichten und überhaupt. Nico, unser unermüdlicher Booker sowieso. Es ist nicht leicht mit uns, wir wissen das. Vielen Dank für euch. 

Und vielen Dank auch an die HörerInnen, die mit uns gefeiert haben, und uns so unterstützen. Alle Neuankömmlinge, wie natürlich explizit auch all die, die uns schon über Jahre begleiten: ich habe gerade mit einer Aufzählung der Namen begonnen, von den Superleuten, die uns über die Jahre besonders ans Herz gewachsen sind, sie aber dann wieder gelöscht, weil ich währenddessen bemerkte, dass ich zwangsläufig jemanden vergessen würde, und das täte mir sehr leid. Ich weiß, wie wohltuend Grußlisten sind. Aber wenn man vergessen wird, tut`s umso mehr weh. Darum verzeiht mir, dass ich mich diesmal davor drücke, und seid euch alle gewiss, dass ich gerade besonders dich anschaue, während ich das schreibe. 

Einen Namen erwqöähne ich dennoch, denn sie hat auf dieser Tour alle Konzerte besucht und damit mitgestaltet, und somit auch mehr Konzerte, als ein Drittel der Monsters selber: Darum ein Extramerci an Sandrine und vielen Dank. 

Ich schließe jetzt den Bericht, denn er trieft eh schon vor Pathos, unmd die Aftershowparty war süß, aber überhaupt nicht wild. Um zwei Uhr war ich im Bett und habe noch ein paar Ramonesvideos geguckt. Die sind ähnlich dysfunktional wie wir. Aber man muss sie einfach gern haben. Ich hoffe sehr, so wird man irgendwann auch mal über uns berichten. Aber ohne den Johnnykram. 

Unser neues Album „Setzen, Sekt!“ wird eine spannende Momentaufnahme dieser Wochen gewesen sein, und das ist jetzt bereits einen Piccolo wert. Auf euch, auf uns, auf dass auch die Realität bald wieder einsieht, dass ein fröhliches Miteinander alles andere schlägt.