25. April 2024
von: Totte

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Lasst mich kurz überlegen: Heute ist Donnerstag, der 25.04.2024, und wir spielen im Wolfsburger Hallenbad. Nicht zum ersten Mal überhaupt, aber zum ersten Mal am Donnerstag, den 25.04.2024. Morgen schreibe ich über heute, heute über gestern, und dass sich einem da inzwischen die Zeitleisten hier und da etwas verbiegen, könnt ihr hoffentlich verständnisvoll nachvollziehen.

Zudem mischt sich die Ähnlichkeit der Tagesaufbauten langsam beängstigend, denn natürlich ist es Quatsch, wenn Smudo behauptet, dass sich im Touralltag jeder Tag vom anderen komplett unterscheidet, abgesehen von den Konzertstunden, die die einzige Konstante darstellen. Sollte es bei den Fantastischen Vier tatsächlich so sein, rate ich aber allen sehr dazu an, lieber bei ihnen im Tourtross anzuheuern, anstatt die Konzerte zu besuchen.

Natürlich ist auch unser Konzertaufbau relativ strikt, aber jeder Abend birgt neue Möglichkeiten, Angebote und auch Gefahren, sich in völlig neue Richtungen zu wenden, abzubiegen, zu stolpern oder zu tänzeln. Ein Konzert ist eben Parcours und nicht Parkuhr.

Aber erstmal zum Day:

Ich konnte nicht mehr schlafen, Labörnski aber schon, darum gönne ich ihm eine Auszeit und laufe heute alleine los. Ich lande in einem schönen Waldstück mit Tierpark und einem verwunschenen Weg, der als „Schnellfenpfad“ ausgezeichnet ist, und über dessen Verlauf überall bemalte Steinchen, Holzgebinde und weitere Kunstwerke versteckt sind.

Eine tolle Idee. Die Welt kann so schön und bunt sein, wenn man mal Menschen machen lässt, deren Freude auch die Freude anderer ist, und nicht nur so plattgierige Hornochsen wie die, die ich hier natürlich gar nicht erst namentlich benennen werde, sonst werden Lindner, Söder, Höcke, Merz und Co. Vielleicht noch sauer.

Ich laufe eine gute Stunde, gerate in Hagel und finde erstaunlicherweise ganz problemlos von selbst den Weg zurück zum Hallenbad, obschon mir das typmäßig gar nicht ähnlich sieht.

Interessiert euch, dass ich dann dusche und Kaffee trinke? Gut: Ich dusche und trinke Kaffee.

Fabi knackt alle Rekorde an den Flipper- und Pacmanautomaten im Foyer des Hallenbads. Mit Werner unterhalte ich mich über ein neues heißes Ding im Internet, an dem er seit Anbeginn beteiligt ist, was sicher dem Feeling der ersten Goldschürfer ähnelt, die dereinst Klondike bereisten. Es klingt alles sehr interessant, und ich glaube, ich habe das diesmal verstanden, und das Ding heißt irgendwas mit „net“ oder „cyber“.

Armand kommt zum Frühstück hinzu und das Gespräch zwischen ihm und Werner driftet dann bald in Richtung Cyberangriffe, und das ist aller Wichtigkeit zum Trotz zuviel für mich, denn mir reicht derzeit schon das, was ich sonst so an Abgründen von der Welt mitbekomme, also verziehe ich mich wieder in meine Höhle. Das ist natürlich weder schlau, noch nachahmenswert, denn um Probleme zu lösen, muss man sich ihnen stellen, aber ernsthaft: Glaubt irgendwer hier, ich könnte da in der Cyberwelt eine Hilfe sein? Na also. Gutnacht bis zum Busladen.

Beim Busladen bin ich aber diesmal gar nicht dabei, weil ich in der Zeit den Bericht vom Potsdamkonzert tippe, doch das nimmt mir niemand krumm, hoffe ich. Jeder schert mal aus, und soviel ist bei uns auch gar nicht zu tun. Wir laden meist um 15:30 Uhr, und um 15:39 Uhr sind wir eigentlich immer damit durch.

Frische Mische ersinnen neue Hymnen, die zwei Fleißbuben, Burger ist in town, Rüdi guckt mit Armand im Bus „Gefragt, gejagt“ und wissen die Antworten allesamt, wenn ich mich nicht irre. Fred hat sich eine Pizza geholt und ich lese den Bericht live im Netz.

Das Team vom Hallenbad ist sympathisch wie stets, und ich bitte um Verzeihung, dass ich mir nicht alle Namen gemerkt habe, stellvertretend hier zumindest liebe Grüße voller Dank an Anne, Luca und Tim für alles und mehr, und auch die beiden charmanten Schülerinnen, Marie und Melina, die heute hier ihren Projekttag (irgendwas mit „Zukunft“) haben, sind sehr hilfsbereit, freundlich und eine große Hilfe, und sie hätten sich ruhig an den Softdrinks unseres Kühlschranks bedienen können, doch dazu waren sie zu Cateringcrew-professionell. Sollten sie aber mal auf ein Konzert von uns kommen wollen, sind sie an dieser Stelle herzlich eingeladen.

Das Abendessen besteht aus wahlweise duften Salaten, cremigen Suppen, deftigen Vegan-Flammkuchen, Tortellini oder Wiener Schnitzel, was besonders Armand wortreich freut, der anscheinend seine gestrige Begeisterung über das vegane Dinner vergessen hat und wieder von „Hasenfutter“ redet. Mir schmeckt mein Flammkuchen jedenfalls sehr, auch wenn es dumm ist, mit Porzellanmagen Balsamicochampignons zu futtern.

So, jetzt aber rasch zum Konzert:

Wir waren vor einem Jahr hier, an einem Wochenende und zur Aufnahmetour der „Federwisch“-Platte. Seitdem haben wir auch noch Braunschweig und Hannover besucht, und trotzdem ist der Laden voll mit treuen, aber auch neuen MonsterhörerInnen, die uns glücklicherweise sehr gewogen sind, denn sonst, hätte das hier heute auch ein Griff ins Schlammbad werden können.

Wir sind nämlich plötzlich seltsam kauzig, und dass in der ersten Hälfte der Raum und das Publikum ein bißchen bahnhofsmäßig grell beleuchtet ist, macht die Sache nur noch seltsamer. Gleich während des ersten Lieds steht ein junger Herr auf, und nachdem wir seine Frage, ob er eine Frage stellen darf, bejaht haben, möchte er wissen, ob die Stühle wirklich nottun. Ich glaube, er findet nicht, wir aber schon. Aber er ist uns nicht bös, denn man kann ja schließlich auch einfach mal unterschiedlicher Meinung sein, und er feiert sehr freudig mit uns weiter. Zwei Damen verlassen zwecks Getränkenachschub den Raum bei meinem ersten Song, weshalb ich ihnen verspreche, mit dem Lied auf sie zu warten, und wir die Zeit nutzen, ein paar Gratisbiere ans Publikum zu verteilen, natürlich auch an den freundlichen Fragesteller von eben.

Was sich jetzt beim Schreiben und wahrscheinlich auch beim Lesen sehr dröge anhört, entwickelt sich in Wirklichkeit zu einem äußerst lebendigen Abend mit viel Publikumsbeteiligung und Ausschweifungen.

Menschen bewerben sich um Praktikumsplätze bei uns, pogen auf eigenen Wunsch, singen und grooven aber auch auf unsere Bitten, wir sind alle eins und alles ist ein Miteinander. Ich verpasse leider Pensens anscheinend geniale Ansage zu „Ernährt“, weil Rüdi und ich gerade dabei sind, wie zwei Marx Brothers Probleme am Stimmgerät zu beheben, Freds Tretboot-Version wird zur Tour de Force, bei der er irgendwann quasi aufgibt und den Song so zu etwas neuem, unsagbar schönem Verstörenden verzaubert, ich hasple mich durch meine Wirren und Getränke kippen um. Aber wir wischen natürlich auf, bevors einzieht.

Burger bleibt trotzdem mit den Schuhen in einer Weinlache kleben und kann seinen platz nicht mehr verlassen, aber auch sonst hätte es selbstverständlich die Zugabe gegeben, denn soviel gelacht wie heute, Publikum und Monsters, haben wir auf dieser Tour vielleicht noch nie.

Manchmal fassungslos, manchmal am Rande zum Schluckauf, aber immer herzlich und mit leuchtenden Augen. Und jawohl: es gibt standing Ovations, also entweder haben uns hier alle sehr lieb, oder der Abend war super oder die Stühle waren zu unbequem.

Es ist einfach extrem toll, wie wir über die Konzerte immer von euch mitgetragen werden. Ob skurril oder stringent, rockig oder schwadronesk, ihr gebt uns immer Power und inszeniert damit den Abend genauso mit wie wir. Diesmal in Wolfsburg, und nicht zum letzten Mal, hoffe ich. Hashtagherz.

Nach dem Konzert treffen wir noch Freunde wie Ingmar Schütte, Daniela, Sandrine, Lare und Andre, trinken etwas und quatschen mit netten Menschen, ich bin aber vor allem in Sachen Autogrammbeschaffung aller Monsters unterwegs, die alle in verschiedenen Grüppchen stehen. Zudem hat eine Mutter mir vor dem Konzert von ihrem Sohn erzählt, der über uns ein Referat gehalten und eine Eins gekriegt hat, und sie bat um unsere Unterschriften. Ich bat sie im Gegenzug, nach dem Konzert an unseren Stand zu kommen. Ich will ihr, bzw. ihrem Sohn ein kleine Extrabelohnung schenken, drum habe ich mir gleich von Fabi ein Tourshirt geben und alle Monsters drauf unterschreiben lassen, aber Frau Mutter ist nirgends mehr zu finden. Leute, Leute, was für ’ne Hektik für nix. Sorry, Sohn, aber wir sind sehr stolz auf dich und gratulieren zur Eins.

Wir finden uns nach dem Abbau der Bühne und des Merchs recht schnell wieder alle im Bus ein, denn wir reisen zeitig ab. Fabi erzählt, dass die meisten BesucherInnen heute sehr freundlich waren, mit Ausnahme von zwei Herren, die sich wohl im Foyer angetrunken ziemlich daneben und despektierlich gegenüber der weiblichen Tresenkräfte verhalten haben, insgesamt sehr männerig kegelclubklischeemäßig.

Nachdem ich etwas genauer nachfrage, fürchte ich zu wissen, dass es sich dabei in einem Fall sogar um einen alten Freund gehandelt haben könnte, und mir schießt die Fremdscham heiß in Nacken und Gesicht. Ich werde ihn darauf ansprechen, denn das ist einfach nicht okay und ich habe keinen Bock, sowas aus Bekanntschaftsgründen kleinzureden. Selbst wenn ich weiß, wie nett er sonst sein kann. Der ausgelassen fröhliche Regenbogen in meinem Gemüt verliert etwas an Farbe darob, auch weil ich weiß, dass auch ich, wie ja womöglich die meisten, meine Abgründe habe, und die Arbeit an sich selbst nie erledigt sein wird. Unsere Konzerte sollen auf jeden Fall Oasen darstellen, in der alle Energie tanken und in zugetaner Achtsamkeit in sicherem Wohlgefühl baden können. Bleiben wir dran, an uns zu werkeln und setzen mehr Kraft ein, uns einander zu supporten. Zu pathetisch gerade? Sorry dafür. Ich gehe jetzt schlummern, und wandere nochmal traumverloren über den Schnellfenpfad. Ihr könnt mich gerne besuchen.

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