Hoppla, schon ist es Dienstag früh, ich muss gleich in den Zug steigen und die Katzen insistieren, dass ich ihre Klos auch noch nicht gereinigt habe. Vorwurfsvoll scharren sie Streu auf die Auslegeware und miauen Kritik.
Das kommt davon, wenn man sich zuviel Zeit lässt, denn wie heißt es im Volksmund? Was du heute kannst besorgen, dass verschiebe nicht auf…
Andererseits, wer bin ich denn, dass ich hier den Volksmund zuende zitiere? Der soll erstmal die Füße wieder aus dem Hintern ziehen und seinen söderigen Naziflirt beenden, dann können wir wieder über seine Schlauheiten reden.
Außerdem geht’s hier ja um Punk, und da gelten andere Maxime.
Wir reden hier von den Schröders und ihrer 35 Jahre-Jubiläumsshow auf dem Flugplatz ihrer Homebastion Bad Gandersheim. Bad Gandersheim verorte ich immer im Harz, was Quatsch ist, aber zum Glück nicht so weit entfernt, dass man sofort aufs Maul bekommt, wenn man das behauptet, zumal die Landschaft ähnlich malerisch ist.
Heute ist das Wetter zu uns sehr freundlich. Die Sonne scheint, aber nicht zu dolle. Dabei haben wir gerade andernorts in Deutschland schlimme Unwetter mit dramatischen und tragischen Ausmaßen, die laut AfD nichts mit Klimawandel zu tun haben, was noch ein weiterer Grund sein sollte, diesen Schrottverein ins politische Nirvana zu kicken. Das hier ist kein Politpodium, nur ein Konzertbericht einer Unpluggedkapelle, doch angesichts der derzeitigen dramatischen Entwicklungen können auch freizeitige Alltagsbeobachtungen kaum mehr ohne einen Blick auf die Lage und deren Bewertung auskommen. Kurz: geht am Sonntag den Wahnsinn wegwählen bitte. Danke.
Zurück zu unserem speziellen Funfreitag:
Lina und ich tuckern früh los, um aufgrund unklarer Vorauszeichen nicht zu spät am Plath anzukommen, sind dann aber so früh, dass es gar noch für den Kauf einer Geschenkkiste Rotkäppchen halbtrocken für alle Bands reicht. Das ist eine sehr gute Investition, denn die Bands sind erstens bereits alle da, als wir ankommen, und zweitens unglaublich sympathisch. Na klar, die Schröders und Teile der Batzenband, besonders Timmey, unseren ehemaligen Mercher, kennen und lieben wir ja schon ewig , insofern keine Riesenüberraschung, aber auch die Damen und Herren von Rauhbein sind dufte Menschen voller Klasse.
Die Bonanzaboys halten sich eher bedeckt, aber so sind sie halt.
Es herrscht reges Treiben auf dem Flugplatz, kaum kommt man zunächst zu längeren Gesprächen, denn so viele Eindrücke und alte Freunde, neue alte Freunde und kommende alte Freunde geben sich Klinken in Hände, noch während sie Kippen drehen und nach Bierbechern greifen, aber es ist eine Stimmung unterm Firmament, die brizzelt und Großes erahnen lässt. Die Schröders sind natürlich am meisten beschäftigt, zumal sie alle heute in tausend Funktionen wirken müssen, Orga, Bandbigamie, Soundtechnik, ich kanns gar nicht alles aufzählen, da schwindelt mir von. Trotzdem reicht es stets noch für Pläuschen zwischen Bierbank und Pizza, und immer weiter flutet der Strom der guten Menschen herein, vor der Bühne, hinter der Bühne, ich kann sie nicht im Ansatz alle aufzählen, von Sterni bis Sandrine, von Ingmar bis Hagen, von A bis Z sind fast alle da. Fast nur, denn unser Monstersduo Frische Mische fehlt heute leider. Na gut, zum Glück haben wir nur 40 Minuten zu füllen, und das ist für uns Monsters nicht so das Problem, darum blicken wir optimistisch nach vorne, während ich mich mühe, den Sekt an Mann und Frau zu bringen.
Das Bier kommt heute becherweise, und da die (eventuell etwas unterbesetzte) Crew aufgrund des riesigen Publikumsandrangs extrem gefordert ist, nehmen wir Bands, besonders selbstlos wie auch fleißig die Rauhbeine, den Nachschub immer mal wieder selbst in die Hand, und kommen so zeitgleich in den Genuss, beim Transport das Gelände zu erkunden und festzustellen, dass die Dichte der freundlichen Gesichter extrem ist.
Pünktlich um 18:30 Uhr beginnen Batzen und liefern eine wilde Show, die Rock, Punk, Metal und Entenhausen perfekt mixt und zum heißen Schwof samt Rhythmusklatscherei einlädt. Wir Monsters gucken uns das gleich vor der Bühne an und sind begeistert, zahlreichen HörerInnen geht es ähnlich. Tolle Sache voller musikalischer Knallbonbons, ein Stern, der aufgeht wie Hefeteig.
Es geht Schlag auf Schlag, Rauhbein im Anschluss füllen den Saal noch weiter mit euphorischen Menschen und einer Mischung aus Folk und Fidel, Mittelalter und Moderne, es rockt und brennt, und die Menschen drehen durch. Ich bin in der Szene ja nicht so bewandert, deshalb fehlt es mir an Referenzen, aber es macht mir höllischen Spaß, da zuzuhören und mitzuschunkeln, während im Moshpit bereits erste Pogopits kreiseln. Ein Wahnsinn, das alles.
In der Zwischenzeit machen sich einerseits die GästInnen hinter der Bühne breit und die Bonanzaboys gleichzeitig bereit, die Laune köchelt auch hier blubbernd in fidele Höhen, allerdings sind wir zeitlich inzwischen bereits ordentlich in Verzug. Daran ändert dann auch der brachiale Auftritt der Bonanzaboys nichts, denn deren Showkonzept ist, neben kraftvollsten Verrockungen geliebter Popcornmelodien, die bewusste Erfahrung der Zeit. Pause als Konzept, Stillstand als Tanzart. Es ist verwegen, frech, und dennoch mitreißend. Der kleine Finger ersetzt den Teufelsgruß, ein Achselzucken im Tunnel der Ewigkeit zum Mitsingen. Womöglich großartig.
Begeistert und benommen von all den Highlights stolpern danach wir Monsters auf die Bühne, wir entscheiden kurzerhand, und zwecks Pubkilumssichtbarkeit auf Biertische zu pflanzen, und auch der Soundcheck wird etwas chaotisch, da Kabel fehlen, bzw. kaputt sind, und wir es auch der (zweifellos sehr coolen und guten Technikcrew) mit unseren wirren Ansagen nicht leichter machen. Wir bitten jredenfalls in unserem Chaos rasch darum, unsere Mikros auch nach draußen zu öffen, so dass alle uns hören können, und quatschen unseren Soundcheck so quasi als Showelement als Dialog mit allen Menschen im Saal. Obs ein gutes Showelement ist, bleibt fraglich, aber die Stimmung ist insgesamt derart gut, dass gar nicht viel schiefgehen kann, und als wir dann richtig loslegen, nachdem wir uns aus Zeitnot gleich auf der Bühne eingemonstert haben, wird das ein sehr lustiger Auftritt voller kleiner Highlights. Die Kulisse ist beeindruckend, die Menschen gehen mit, lachen, pogen, singen, und zu „Trinkt mit mir“ bringt Timmey Bier auf die Bühne, das wir gemeinsam verteilen, den restlichen Sekt verteilen wir auch (Jörg, ich schulde dir noch den Becherpfand), und unter Monsterschören verlassen wir hocherfreut die Bühne. Schade nur, dass wir zwei Songs streichen mussten, um die Verspätungen wieder etwas auszubalancieren.
Doch letztlich ist das gut investiert, denn danach zünden die Schröders eine Liebesrakete voller Hits und Höhepunkten, und das ganze Zelt wogt, Zeit wird ausgehebelt, der ganze Laden glüht vor Glück. Hits, Hits, Hits, und eine bestaufgelegte Band, es fliegt nur so vorbei, Rüdi, Fred und Timmey zieht es gar zum Schluss noch sogmäßig auf die Bühne, es ist eine rauschende Ballmacht und ein Pogotanz der Glückshormone. In Musik gegossener Frühling. Besser kann ich es nicht umschreiben.
Nach dem Konzert feiern wir noch eine Weile weiter, treffen immer mehr tolle Leute, bis wir schlussendlich noch auf Saschas Hotelbalkon landen und mit Sicherheit tiefsinnige Gespräche führen, irgendwo zwischen Diskurspop und Wittgenstein, bevor die aufgehende Sonne uns den Weg in unsere Betten weist. Sanftmütig, nachsichtig, aber dennoch bestimmt.
Ich weiß, ich werde der Party nicht gerecht, zu viele Menschen und Details habe ich ausgelassen. Aber der Dank sei allen gewiss, das Beste ihnen gewünscht, und letztlich sind es stets die Lücken, die legendäre Momente bilden. Wo die Sicherheit endet, beginnt Poesie. Und das war der Abend wirklich: ein Gedicht.
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