von: Totte

Ok, Leute, wollt ihr die ganze Wahrheit hören? Schnallt euch an: Ich schreibe diesen Konzertbericht in der S5 auf dem Weg nach Buxtehude, wo ich des abends mit Fred zusammen Geburtstagskekse fürs Open Flair zu backen gedenke. Unsere Erfahrungen im Keksbacksektor sind deckungsgleich und minimal, wie haben einmal vorher zusammen gebacken und das wars. Zudem waren das Glückskekse, die erstens zum Aufknacken, nicht für den Genuss bestimmt waren, und zweitens trotzdem in die Hose gegangen sind. Wie es diesmal werden wird, zeigt die Zukunft, also bleibt dran und lehnt euch nun aber entspannt zurück, und begleitet uns auf unserem gestrigen Weg zum Elbenwaldfestival in Cottbus.

Wir, das sind zunächst Pensen, Fred und ich, denn Labörnski und Rüdi kommen separat und Burger ist diesmal nicht dabei. Such is life, wie der Däne sagt, wenn er sagt „such is life.“

Wior drei stehen zunächst am Hamburger Hauptbahnhof, denn unser Zug verspätet sich aus Gründen. Der erste Teil der Fahrt verläuft dann ziemlich ruhig, wir alle sind übermüdet (aus Gründen) und dösen, daddeln und drögen so rum. Den Berliner Hauptbahnhof erreichen wir verspätet, aber das macht nichts, denn die Bahn übertrumpft uns verspätungstechnisch lässig um ein vielfaches, wenn Anarchisten Chaos verbreiten wollen, sollten sie zunächst mal bei der Bahn in Lehre gehen, damit das auch ein ordentliches Chaos gibt, hihi. Irgendwann gibt auch die Computerdame, die via Lautsprecher alle Gleisänderungen und Verspätungen durchgibt, jeden Versuch der Logistik auf und seufzt nur noch „Gleis.“ über den Äther, ohne es mit Details zu verzieren. Ein Detail wäre gewesen, dass es sich um unseren Zug handelt, der spontan vom Nachbargleis abfährt, aber glücklicherweise haben wir das längst deduziert, denn wir sind nur semidumm. Was wir auch sind, ist humoristisch unbeholfen, darum hat einer von uns, ich verrate nicht wer, spaßeshalber in die Monstersgruppe whatsappt, dass wir wohl nicht rechtzeitig da sein werden, und Rüdi und Labörnski sich doch bitte schon mal eine Setliste für ihr Doppelkonzert schreiben sollen.

Der Gag kommt mäßig an, teilweise werden uns später deswegen noch wutentbrannte Maßregeltermini um die Ohren fliegen, noch ahnen wir davon aber nichts, quetschen uns in den Zug und ötteln nach Cottbus. Durch die Fenster sehen wir, wie sich der Himmel bewölkt und ergraut, dann prasselt es gegen die Scheiben, und uns schwindet die Hoffnung, heute tatsächlich eine Bühne bespielen zu können, zumal auch der Wetterbericht wenig Hoffnung macht.

Trotzdem schreiben wir eine Setliste, derweil wir dem Zugschaffner lauschen, der stimmungsmäßig der Berliner Computerdame ähnelt, und etwas verkifft maulfaul davon erzählt, das „wir jetzt noch ein bißchen hier stehen bleiben müssen, weil der entgegenkommende Zug hier noch vorbei muss wegen der eingleisigen Strecke, ach sie wissen schon…“

Wissen wir, verstehen wir. Mit einer gut einstündigen Verspätung kommen wir ordentlich gerädert an, aber nun nimmt uns Thomas, der Fahrdienstherr des Elbenwaldfestivals, sorgsam in seine Obhut, geleitet uns zum Bus und chauffiert uns kompetent und sehr sympathisch erzählend zum Festival.

Labörnski ist samt Gattin bereits vor Ort und sehr umtriebig, auch Rüdi, begleitet und gefahren von Markus, kommt gerade an, wir holen uns oben erwähnte Rüffel ab, dann ists auch schon bald Zeit für den Soundcheck. Vorher kommts aber nochmal richtig heftig vom Himmel, wir sitzen im Backstage und die Hoffnung fließt mit dem Regen in den Gulli. Um kurz vor zwei pausiert der Wolkenbruch kurz, das Zeitfensterchen nutzen wir, um unsere Instrumente zur Bühne zu schaffen, denn man weiß ja nie, vielleicht klappts ja zumindest, ein bißchen zu spielen, bevor es erneut plätschert.

Auf der Bühne ist noch ein Sciencezauberer namens Jack Pot aktiv, ziemlich cool, er hält die Leute trotz des Regens vor der Bühne gefesselt mit seiner Show, das beeindruckt mich sehr.

Hinter der Bühne begrüßt uns Stagemanager Lars, den wir tatsächlich noch aus der Hamburger Markthalle, ein sehr freundlicher Herr, genauso wie das gesamte Team übrigens, das Elbenwaldfestival verbreitet insgesamt vor und hinter den Bühnen eine rundum angenehme freundliche Atmosphäre. Alles läuft smoove ab, wie der alte Dollendorfer zu sagen pflegt, wenn er auf hip tun will. Am unharmonischsten sind eigentlich nur wir, irgendwie ist heute der Draht zwischen uns Monsters nicht sanft glühend, sondern eher zwischen angeschmort und kalt. Immerhin, den Soundcheck über bleibt es trocken, und erste Menschengruppen machen es sich bereits vor der Bühne gemütlich. Aber nicht nur Menschen, sondern auch Dinosaurier, Elfen, Vampire, der Tod steht in der ersten Reihe, und in der letzten wartet Rorschach und hält sein „the End is neigh“-Schild mahnend in die Höhe. Man muss es sagen, bunter als hier, ist das Publikum nie. Wir soundchecken uns durch, dann ists auch schon 14:30 Uhr, und die Show startet.

Es wird eine, bei allen Vorzeichen- überraschend schöne Show, unsere Lieder treffen auf offene Ohren, und viele Wesen erleben heute ihr sehr blumig buntes Monstersdebütkonzert. Die Praekonzertanspannung fällt schon beim ersten Song von uns ab und weicht einer ausgelassenen Freude, in der spielerisch alles erlaubt ist. Wir besingen unser Backdrop, dass die Crew, weil wir es vorher völlig vergessen haben, während des Konzerts hissen, verteilen Getränke an die Leute, eine Gruppe HörerInnen verteilt ebenso Regenbogenherzen zum Aufkleben, und wohin wir schauen, sehen wir nur freudestrahlende Menschen. Doch sie rocken auch mit, und dass eine ganze Gruppe junger Superleute tatsächlich zu Türen eine eigens kreierte Choreographie tanzen, lässt mein Herz wachsen, und zwar derart, dass kein Platz mehr fürs Hirn ist, und ich einige Textzeilen augenblicklich vergesse. Der magischste Moment des Konzerts ist indes wohl, wie just zu „Stress mich nicht“ die Sonne durch die Wolkendecke bricht, und für das Restkonzert Raum für strahlendblauen Himmel schafft. Zauberei im Elbenwald. Mit sehr viel Dankbarkeit und Freude verlassen wir nach unserer lautstark geforderten „Marzipan“-Zugabe die Bühne und fühlen zarte Signale des Glücks. Leider bleibt nicht viel Zeit für uns, das zu genießen, denn unsere Zugbindung zwingt uns zurück in Thomas‘ Bus, um Cottbus Hauptbahnhof rechtzeitig zu erreichen, denn heute sind viele Straßen wegen eines Fußballspiels gesperrt. Thomas hat uns erklärt, welches Spiel, aber ihr kennt mich, das geht hier rein, da raus bei mir. Scusi, fragt biite Fred und Pensen bei Gelegenheit, wenn’s euch interessiert, die sind kompetente Fussballaustauschpersonen. Ich kann euch was über die Sopranos oder MASH erzählen.

Die Zugfahrt von Cottbus bis Berlin ist folgendermaßen: Der – laut Zugplan mäßig frequentierte – Zug ist brechend voll, es wird musiziert, aber es scheint mir durchgehend das gleiche Stück zu sein, sehr atmosphärisch, aber ich wünsche mir manchmal auch Atmosphärenmangel.

Ab Berlin wird’s aufregend, denn laut Bahnnews fällt die von Pensen und mir gebuchte Verbindung aus. Dafür gibt’s ausgleichshalber exakt die gleiche Verbindung, aber der Zug hält dafür in Berlin Ostbahnhof, denn der Halt am Hauptbahnhof entfällt, wofür er zum Ausgleich ersatzmäßig am Hauptbahnhof hält. Alles klar soweit?

Ich steige schon mal am Ostbahnhof aus, denn ich will noch was essen, während Pensen mit Fred zum Hauptbahnhof weiterdüst, um ihm Gesellschaft zu leisten, den jener hat eine eigene Verbindung gebucht, die für uns aus Gründen nicht existierte. Auf meiner Essenssuche treffe ich noch Sandrine, die ja ebenfalls auf dem Elbenwaldfestival war, diese treueste aller Feen, aber sie muss gleich weiter in die Heimfahrt, so bin ich rasch wieder alone at the Ostbahnhof, und würde da wahrscheinlich heute noch auf dem Gleis 3 stehen, hätte ich nicht beim gelangweilten Rumfotografieren während der Wartezeit auf die Einfahrt des Zugs, auch die Anzeigetafel fotografiert, die pünktlich zur Einfahrt den Gleiswechsel des besagten Zugs gesteht, also hechelnd hetzen zum Gleis 7 und gerade noch so reingeflutscht. Ich machs mir in einem Abteil gemütlich, in das nach und nach noch zwei weitere Mitreisende sich zu mir gesellen: Ein Wandersmann mit schlechter Laune und eine Dame mit guter Laune aber möglicherweise schlechten Eiern, die sie nach und nach genüsslich verzehrt, während der Eierduft sich wie eine schwere Glocke über uns schließt und jeden Sauerstoff eindünstet. Für frische Luft sorgt kurzzeitig eine weitere Dame, die die Schiebetür öffnet, um bei uns Koffer abzustellen, weil, ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum, sie erklärte das sehr schnell und hektisch und vielleicht kam Fussball drin vor. Jetzt steht jedenfalls ein großer Koffer zwischen uns allen, die Besitzerin ist wieder weg, und in mir kreisen ziemlich viele Spionageideen, die ein gutes Buch ergeben könnten, aber auch für ein etwas paranoides Weiterfahrfeeling sorgen. Letztlich stellen sich aber die herausragenden Kabel als Spiralstrohhalme heraus, und da ist auch schon Hamburgs Hauptbahnhof, und ich entsteige allen Abenteuern, Ich treffe sogar kurz noch auf Pensen, der mich überholt, mir auf die Schulter klopft und etwas sagt, aber ich verstehe ihn akustisch nicht, denn es ist sehr laut im Getümmel. Und da ist er auch schon wieder verschwunden. Der Rest des Abends war dann natürlich gewohnt noch aufregender, aber das ist was für meinen nächsten Bestseller, der zudem auch mein erster sein wird. Ich freu mich schon drauf. Aber würde ich ein Märchenbuch schreiben, sollte es so sein, wie das Elbenwaldfestival: bunt, lieb, bezaubernd schön. Nur die Jungs von Hagrids Hütte habe ich wieder verpasst, was schiete ist, denn die werden von meiner Mutter und meiner Freundin gleichermaßen verehrt, und ein Selfie mit ihnen hätte mich in diesem erlauchten Kreise sicher etwas beliebter gemacht. Aber wer weiß, vielleicht dürfen wir ja nochmal wiederkommen. Hätte ich drei Wünsche frei, wäre einer jedenfalls, oh, Buxtehude, hier muss ich aussteigen. Jetzt ab an die Kekse.