Tourtagebuch

Markthalle *ausverkauft*, Hamburg

02. Nov. 2022

von Totte

Sunny Day in Hannover. Das Frühstück spare ich mir trotzdem. Ein klein wenig müde bin ich doch, aber in einem sanften, seltenen Gefühl der Glückseligkeit. Der gestrige Abend – auch wenn leider, wie auch heute noch, ohne Pensen – war allen Sorgen zum Trotz ausnehmend schön, und besonders das spontane gemeinsame vorm Hotelstehen und trinken funkelte total. Anscheinend hat das auch beim Rest der Belegschaft soziale Vitamine geliefert, zwar sind Augenringe erkennbar, aber schon zur Abfahrt glänzt Fred, neben seiner Fahrkompetenz, auch als grandioser DJ, Johanna gives us hope, und so geht es weiter bis kurz vor Hamburgs Tore, und erst dort beendet Snows Informer jäh die Busdisco. Aber wir sind ja eh fast da, laden unsere Supercrew in der Superbude aus und holen spontan Pizza, für uns und aber auch als kleines Trostbonbon für Pensen. Er ist ehrlich gerührt und den gesundheitsbedingten Sicherheitsabstand überbrücken wir mit Pizzakäse und warmen Feelings. Dann aber doch ab zur Markthalle, Tosh und das Team begrüßen, sich heimgekehrt fühlen, ausladen, Kaffee trinken, quatschen. Sehr gemütlich, sehr viele interessante Stories aus Band-, Club- und natürlich auch jüngster Pandemiegeschichte. Keine Frage, die Kultur bleibt beschlafen, und Hoffnungsschimmer brechen kaum durch die Wolken der Weltlage. Letztlich sind wir wahrscheinlich doch noch immer privilegiert, aber ab und an vergisst man das über den ganzen Existenzkrachern, die ins Hirn fallen, wenn man abends die Augen schließt. Ein wenig hängt der Tag jetzt für mich durch, darum schlendere ich zum Hauptbahnhof und denke ein bißchen über mich nach. Es gibt da durchaus Änderungsbedarf, verhaltensmäßig, ich bekam berechtigte Signale, die es einzuordnen gilt. Überhaupt nichts ändern muss er tolle Koch der Markthalle, der ein klasse Süßsauertofu gezaubert hat, und ich mag eigentlich nichtmal Tofu, aber das hier ist absolut dufte.

Soundcheck, Kaffee, üben, üben. Meine Frische Mischesongs sitzen eher so lala, aber letztlich zählt ja die Liebe. Die Markthalle ist heute ausverkauft, allerdings hat die zweijährige Verschiebung auf einen Mittwoch in der immer noch Pandemie doch gut ein Fünftel unseres Publikums gekostet. Keine neue Erfahrung, allerorts hört man davon.

Was wir aber jetzt hören, nach Traditionssekt und Einmonstern, ist ein jubelndes Superpublikum, das uns empfängt, als wären wir Jahre vermisst worden. Es wird ein absolut crazy, lustiges, energiegeladenes, aber auch kleinkunstiges Konzert. Gut, ich versau wirklich jedes Lied, auch die eigenen, vernuschel meine Texte und mein Ansagen sind das letzte, aber unsere lieben HörerInnen sind so freundlich und tun so, als taugte ich und feiern den Abend wie im Saturdaynightfever. Außerdem gibt’s ja noch die vier Kollegen, die reißen alles locker raus, Fred glänzt flötend und tanzend, Börnski schmettert den Jägermeistersong energetisch wie Henry Rollins, Rüdi leuchtet mit seiner unnachahmlichen Rüdiqualität und Burger rockt aufs Amtlichste. Die Markthalle macht konzentriert mit, kompensiert durch Zuneigung unsere Unvollständigkeit, und die Szeneappläuse sind sicher bis zu Pensen daheim zu hören. Zum Ende stehen alle, und mir stockt ein wenig der Atem dank Rührung. Es ist schwer, Momente nachzuerzählen, aber ihr, die ihr da wart, wisst sicher, wie sehr wir euch und eure Monstersgewogenheit feiern. Wir wissen genau, was wir an euch haben. Nach dem Auftritt treffen wir viele gute Leute, Ulli, Andy, Lare, Julia, sogar Robert und Birgit aus Österreich (danke für den Schnaps), Jens, Esther, und natürlich noch viel mehr, was letztlich zu einer viel längeren Aftershowparty führt, als eigentlich gedacht war. Zuletzt sitzen wir in trauter Runde im Backstage, und im Nachhinein möchte ich nochmal betonen, dass das Markthallenteam extrem kulant zu uns war, und wir beim nächsten Mal ganz bestimmt früher die Segel streichen werden, damit ihr auch endlich Feierabend haben könnt. Pardon again und vielen, vielen Dank. Nachhause gehe ich zu Füß und höre dazu Mauli, während ich den Blick über die nächtliche Elbe schweifen lasse. Eine interessante Welt, wirklich. Die ganze, wie die monströse. Der Boden ist Lava.