Tourtagebuch
Speicher *ausverkauft*, Husum
29. Sep. 2022
von Totte
Ich habe Kopfschmerzen, bin aus Gründen untersportet und wünsche mich in eine stille Ecke. Was ich gar nicht will, ist, in einen rumpelnden Bandbus voller Gutlaunetypen gepfercht zu werden, um durch den Regen zu cruisen und abends lange Lärm zu machen. Wir spielen heute in Husum, im Speicher, der ziemlich schön am Wasser gelegen ist. Ich war schon mehrmals hier und es war stets sehr herrlich, mit Liedfett, mit dem Pack, natürlich auch mit den Monsters. Ist aber schon eine ganze Weile her, hzumindest lange genug, um an der örtlichen Einbahnstraßenkonstellation ein klein wenig zu verzweifeln, hier ein Pöller, da eine Sackgasse, Husum mag Fußgänger, was sympatisch, aber gerade nicht hilfreich ist, zumal wir auch noch so einen unötig blöden Riesenbus von der Mietwagenfirma zugeteilt bekomen haben. Er piepst bei jedem Lufthauch, aber die Windschuzuscheibe kriegt er nicht freigeblasen. Trotzdem, als alte Reifensegler schaffen wir letztlich alles und landen, auch dank Speicher-Teamchef Ceven, sicher vorm Laden. Jetzt ist alles gut, wir haben viel Zeit und können flanieren, Fischbrötchen und Falafel essen und uns von Möwen anschnauzen lassen. Maritimtag today. Burger kommt separat angreist, irgendwas berufliches, aber – Mensch, wie konnt' ich das vergessen? - Rüdi ist heute wieder dabei. Das ist doch was! Wir sind alle natürlich ein bißchen aufgeregt, aber Flensburger, Jens Burger und Sven, der Haustechniker machen Stimmen, Stimmung und auch alle sonstigen Klänge für uns zauberhaft, und dann kommt auch noch beste Vitaminkost und mit vollen Bäuchen liegen wir nun brach, bis das Konzert starten kann. Es füllt sich übrigens menschenmäßig bestens bis ca. ausverkauft, und die Leute sind sehr gut gelaunt. „Kulturpublikum“ charakterisiert es Rüdi, aber gottseidank mögen sie auch meine Lieder, jedenfalls hin und wieder. So genau kann man das alles heute nicht sagen, denn es wird ein ziemlich chaotisches, teilweise etwas nervenzerfetzend albernes Bizarrkonzert, die Augen tränen vor Lachen, manchmal ber auch vor Rührung, Rüdis Songs funkeln und schließen die Lücke des bisherigen Jahres, wir diskutieren interaktiv über Dithmarschen, Heide, Flensburgkonzerte, bekommen wiederkehrend Mexikaner auf die Bühne gebracht, danke Speicherteam, danke auch Patrick, Fred kriegt Cola-Korn-Aufkleber geschenkt, es wird gepogt, gesungen, geklatscht und geprostet und das Konzert geht eine ganze Weile. Alles stehen vielleicht etwas neben sich, Fred landet in einer Wiederrholungsschleife bei Marzipan, Börnski geht bei Türen aufs Klo, versucht das aber showmäßig zu kaschieren, was nicht klappt, es ist ein heilvolles Durcheinander mit viel Freude. Irgendwann enden wir unplugged, bekommen unter Standing Ovations Cola Korn geschenkt und danach ist Spontandisco mit den tollen Tresendamen, die Musikwünsche von uns und den verbliebenen Gästen abspielen, Fred und ich tanzen zu Tainted Love den 80er Gothic-Dance, bevor wir letztlich doch die Reißleine zu ziehen versuchen. Auf dem Heimweg treffen wir Konzertbesucher Torben, der uns den Hotelweg begleitenderweise weist, dabei fällt mein Blick durch ein Fenster in ein Wohnzimmer mit wunderschöner Stuckdecke aber einem riesigen Gollumbild an der Wand. Laut äußere ich darob meinen Unmut, worauf sich das Fenster öffnet, und wir von Plakatbesitzerin Pia ins Haus gerufen werden, auf Berliner Luft und gute Unterhaltung, denn Pia war eben auch auf unserem Konzert, hat auch unsere Kollegen bereits zum Hotel geleitet, in dem sie wiederum früher mal gearbeitet hatte, und jetzt sitzt sie hier mit Freund Knut, ihrer werten Frau Mutter und nun eben uns bei Becks und Berliner Luft und beweist sich als dufte Gastgeberin. Warum das Plakat da hängt, erklärt sich mir weiterhin nicht, aber die Wohnung ist ein Zauber, wie ein geschickt verschlungenes surreales Escherbild. Ein bisschen länger als vernünftig bleiben wir, aber irgendwann wird’s doch Zeit für Schlaf, und Abschied. Schade, aber schlau, denn anderntags erwartet uns eine Endlosfahrt. Wir machen nichtmal mehr den Fernseher an, denn unsere Köpfe sind gefüllt mit Eindrücken und unsere Herzen mit Dankbarkeit. Das war wunderschön bei euch in Husum, wir möchten alsbald wiederkommen. Darauf ein Resthauch eines Prosits.
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