Tourtagebuch
Kulturkirche, Köln
19. Nov. 2015
von Rüdi
Als ich aus meiner Kojenluke linse, regnet es in Strömen. Vor mir erhebt sich die Kulturkirche zu Köln und da hinten, 100 Meter weiter, ist unser Backstage mit Toiletten und Frühstück. 100 Meter Regen. Das geht. Blöd wird’s erst, als wir duschen wollen und das sind dann locker gleich mal 400 Meter. Allerdings ist es schon skuril, wenn man sich auf dem Weg zum Duschen über Regen nervt, trotzdem: Es ist irgendwie nicht das gleiche.
Dann gucken wir uns die Kirche an. Die Kulturkirche ist ein hoch frequentierter Ort, morgen zum Beispiel kommt „Unter Brücken“, neulich war auch Fernsehen da, aber für uns am interessantesten ist, dass hier auf der Kanzel einst Götz Widmann „Jesus und Stoiber“ vorgetragen hat. Wie hier allerdings 500 Leute reinpassen sollen, ist mir komplett schleierhaft. Die Bänke, richtige Kirchenholzbänke mit ewig hohen Lehnen, sind so eng zusammengebaut, als ginge es mit dem Easy Jet nach Malle. Und der Sound – na ja, wir werden sehen. Es ist halt eine Kirche. Trotzdem haben wir nur noch drei Chancen für gute Aufnahmen. Und dann die Sache mit dem Merch. Die ist heute ein echtes Problem, denn da wo Platz ist, sollen Leute hin und da wo kein Timmey mit seinem Stand hin soll, ist kein Platz fürs Merch. Ein bisschen schlecht durchdacht, aber leider offenbar alternativlos, also versucht Supertimmey nach ein bis zwei Beruhigungszigaretten in Sachen Tantra ein paar neue Dimensionen zu finden. Angeblich soll es ja mehr als vier geben und irgendwo werden die schon sein.
Im Kirchenschiff ist derweil Claudio damit beschäftigt die Soundprobleme in den Griff zu bekommen. Claudio ist, das vergaß ich zu erzählen, seit gestern wieder an Bord, weil Urs an seinem Geburtstag nach Hause gefahren ist. Den sehen wir aber morgen in Hamburg wieder.
Ja, die Soundprobleme....
Es ist nicht so, dass wir groß überrascht sind, dass eine Kirche hallt, es ist aber eben leider auch nicht so, dass wir überrascht sind, dass sie es eben doch nicht tut. Hall ist Gift für Liedermacheraufnahmen und leider hat Supertimmey gerade keine Zeit, schnell noch ein paar Teppiche zu klöppeln, die wir an die Wände hängen könnten. Wir werden damit leben müssen.
Der Besuch im Backstage wird heute in Händchen haltenden Gruppen zu uns geführt. Wir teilen uns nämlich den Ruheraum mit etwa 50 Kindern, die hier ihr Mittagessen bekommen und ihre Pause verbringen. Mal was anderes. Wir finden´s gut und die Kinder interessieren sich eh herzlich wenig für uns.
Wer Ruhe will, kann ja jederzeit in den Bus. Da sitzt in der Regel Burger und bastelt an unserem Artwork. Aber heute gucken wir „Movie 43“, einen total albernen Film, den man sich besser nicht nüchtern anschauen sollte, jedenfalls so nebenbei, denn heute ist Besuchertag bei den Monsters. Jeder kennt hier wen oder hat hier wen als Verwandten, es ist ein stetes Kommen und Gehen, 18 Uhr gibt’s Essen und pünktlich um 20 Uhr geht die Show los, auf die wir heute mehr als gespannt sind.
Wir müssen, damit uns überhaupt jemand sehen kann, auf Barhockern spielen, auch das eher schlecht für Aufnahmen und neben meinen Platz wurde extra ein Geländer geschraubt, damit ich nicht aus Versehen ins Taufbecken purzel.
Also mehr kann nicht orgeleistet werden, jetzt liegt es an uns und an den Kölnern, was wir daraus machen.
Und – der geneigte Leser ahnt es schon, weil so etwas in unseren Tourberichten immer mal wieder zu lesen ist - es wird ein großartiges Fest. Die Kölner wollen offenbar unbedingt auf unsere Platte, jedenfalls sind sie so dermaßen am Start, dass uns schier die Ohren abfallen, wenn wir einen Song beenden. Sie pogen zwischen den engen Kirchenbänken und choreographieren sogar eine Drehtür, keinen Schimmer, wie das auf so engem Raum geht, immer wieder werden Monsters-Chöre angestimmt, es wird gekreischt, als Robbie Timm seine Lieder anstimmt und bei Leonard Bierhorst wird andächtig geschwiegen bis Jens Steward die richtigen Stadionhymnen anzündet. Ja, so in etwa geht das heute zu in der Kulturkirche zu Köln. Ein wunderschönes Konzert. Und die seltsame Atmosphäre macht den schlechten Klang locker wett, dumm ein bisschen allerdings, dass wir kein Fotoalbum herausbringen. Aber da müssen wir später mal sehen. In Erinnerung bleibt jedenfalls ein sehr ungewöhnliches Konzert vor einem tollen und mitreißenden Publikum.
Hinterher werden wir einigermaßen eilig aus den Räumlichkeiten gekehrt, die Techniker haben morgen einen anstrengenden Tag, allerdings sind wir mit unserer eigenen Arbeit noch gar nicht fertig. Der Merchstand muss abgebaut werden, wir müssen laden, Autogramme geben, zwei Kassen abrechnen und wen irgendwie möglich vielleicht auch mal kurz durchatmen.
Andererseits haben wir es selber eilig. Der Bus muss morgen früh in Hamburg sein und Soelve hat die weiteste Strecke der Tour vor sich.
Also diesmal keinen Absacker im „Low Budget“, wir sagen eilig und von Herzen Danke und bis zum nächsten Mal.
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